Jonas Schmidt-Chanasit: Virologe macht Prognose zum Sommer - und begeht alten Fehler
Von news.de-Redakteurin Sandra Ignatzy
26.01.2021 13.50
Jonas Schmidt-Chanasit glaubt nicht, dass die Corona-Pandemie bereits im Sommer beendet sein wird. Im Interview mit dem "Hamburger Abendblatt" kritisierte der Hamburger Tropenvirologe die falschen Hoffnungen, die derzeit geweckt werden. Gleichzeitig wiederholt er einen Fehler, den er bereits am Anfang der Pandemie gemacht hat.
Jonas Schmidt-Chanasit kritisiert unrealistische Ziele für Sommer
Der Virologe ist fest davon überzeugt, dass die Pandemie trotz Impfungen nicht innerhalb der nächsten Monate beendet sein wird. "Wer sagt, wir haben spätestens im Sommer alles durchgestanden und die Immunität ist da, setzt unrealistische Ziele – und provoziert Frust", so Schmidt-Chanasit zum "Hamburger Abendblatt".
Probleme bei Impfstoffherstellung verzögern Pandemie-Ende
Damit könnte er leider recht haben. Die Bundesregierung wollte bis Ende des Sommers jedem Bundesbürger ein Impfangebot machen, vorausgesetzt der Impfstoff kann fristgerecht und in den bestellten Mengen geliefert werden. Nach Lieferengpässen bei Biontech und Pfizer wurden nun auch Verzögerungen bei Astrazeneca bekannt, die die Impfungen in Deutschland und im Rest Europas weit zurückwerfen können.
Christian Drostens Prognose für Frühling und Sommer
Virologe Schmidt-Chanasit steht mit seiner Prognose nicht allein da. Schon Virologe Christian Drosten, der führende Experte für Coronaviren ist, hatte im Interview mit dem "Spiegel" bereits von einem möglichen Anstieg der Neuinfektionen im Frühjahr und Sommer gesprochen. "Wenn die alten Menschen und vielleicht auch ein Teil von Risikogruppen geimpft sein werden, wird ein riesiger wirtschaftlicher, gesellschaftlicher, politischer und vielleicht auch rechtlicher Druck entstehen, die Corona-Maßnahmen zu beenden", so Drosten.
Drosten geht von großem Anstieg der Infektionen aus
Wird alles geöffnet, könnten sich innerhalb kurzer Zeit zahlreiche Menschen mit Sars-CoV-2 anstecken. "Dann haben wir Fallzahlen nicht mehr von 20.000 oder 30.000, sondern im schlimmsten Fall von 100.000 pro Tag", prognostizierte Drosten, der bislang mit jeder seiner Prognosen zur Corona-Pandemie richtig lag. Zwar würde das Virus nun eher Jüngere treffen, da die Alten geimpft seien, "aber wenn sich ganz viele junge Menschen infizieren, dann sind die Intensivstationen trotzdem wieder voll", warnte Drosten. "Und es gibt trotzdem viele Tote. Nur dass es jüngere Menschen trifft." Ebenso wie Jonas Schmidt-Chanasit scheint also auch Christian Drosten nicht an ein rasches Ende der Pandemie zu glauben.
Schmidt-Chanasit: Hygienemaßnahmen bleiben weiterhin wichtig
Abstand, Masken, Masken, Lüften und Testen werden laut Jonas Schmidt-Chanasit auch im Sommer wichtig bleiben. Zudem weist er wiederholt auf den besonderen Schutz der Risikogruppen hin, was seiner Meinung nach Öffnungen im Rest des Landes ermöglichen könnte. Der Hamburger plädiert für den Einsatz der Bundeswehr sowie des Technischen Hilfswerks, um den Schutz der Risikogruppen sicherzustellen. "Das kostet etwas, ist aber im Vergleich zu den milliardenschweren Überbrückungshilfen leistbar", so der Spezialist für Tropenviren. "Inzwischen haben wir so viele einfache und schnelle Testmöglichkeiten, dass wir nur noch negativ Getestete in gefährdete Bereiche lassen können: Dann sind Pflege- oder Altersheime sehr sicher", glaubt er.
Virologe Schmidt-Chanasit wiederholt Anfängerfehler erneut
Was der Tropenvirologe außer Acht lässt: Nur etwa ein Viertel der Risikogruppen in Deutschland wohnt in einem Alten- oder Pflegeheim. Zudem ist es bei hohem Infektionsdruck in der Bevölkerung bislang noch keinem Land der Welt gelungen, die Alten- und Pflegeheime zu schützen. Epidemiologen und Virologen plädieren deshalb dafür, eine niedrige Inzidenz anzustreben. Dazu zählen Wissenschaftler des Helmholtz-Zentrums, der Leopoldina, des Max-Planck-Instituts, der Charité und ähnlicher Einrichtungen. Die Langzeitfolgen von Covid-19, die auch Nicht-Risikogruppen zu Schaffen machen, blendet Schmidt-Chanasit ebenfalls aus.
Schmidt-Chanasit bei Markus Lanz: "In der Schule stirbt niemand"
Jonas Schmidt-Chanasit hatte zuletzt negativ auf sich aufmerksam gemacht, als er in der Talkshow von Markus Lanz im ZDF für die Öffnung von Schulen plädierte. Dies begründete er mit der Aussage: "In der Schule stirbt niemand." Der Moderator selbst musste den Virologen darauf hinweisen, dass Kinder das Virus von der Schule in die Familien tragen könnten, wo durchaus Menschen daran sterben. "Aber die zu Hause können sterben!", entgegnete der sichtlich aufgebrachte Lanz.
Virologe Schmidt-Chanasit für Jahr 2022 optimistisch
Für das Jahr 2022 macht Schmidt-Chanasit schon eine optimistischere Prognose. "Ich bin fest davon überzeugt, dass wir 2022 nur noch sehr wenige Einschränkungen benötigen. Aber wir hätten schon sehr viel von unserem alten Leben zurückgewonnen, wenn die Kitas, Schulen, Läden wieder öffnen und die Vereine wieder Sport machen dürfen."
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sig/loc/news.de