"Ehrenpflegas": "Herablassender Agenturmüll!" Beleidigt diese Mini-Serie alle Pflegekräfte?
Von news.de-Redakteurin Anika Bube
14.10.2020 07.45
Mit der Mini-Serie "Ehrenpflegas" wirbt die Bundesregierung im Internet für eine Ausbildung in der Pflege. Damit die Filmchen auch Anklang in der relevanten Zielgruppe finden, wurden gleich drei Netflix-Stars für die Hauptrollen engagiert. Da kann eigentlich nichts schief gehen, dachte sich vermutlich Jugendministerin Franziska Giffey. Doch die Politikerin hat die Rechnung ohne die Netzgemeinde gemacht.
"Ehrenpflegas" im Kampf gegen den Fachkräftemangel! Bundesregierung dreht Mini-Serie mit Netflix-Stars
"Ehrenpflegas" wurde von der Constantin Entertainment GmbH im "Fack ju Göhte"-Stil produziert. Den meisten dürften die Hauptcharaktere Danilo Kamperidis und Lena Klenke aus der Serie "How to Sell Drugs Online (Fast)" sowie Lisa Vicari aus "Dark" bekannt vorkommen. Die fünf Folgen erzählen die fiktive Geschichte von drei Jugendlichen, die eine Ausbildung in der Pflege beginnen. So spielt der 20-jährige Kamperidis den etwas verpeilten, aber herzensguten Boris, der die Serie mit den Worten "Ich bin 1. Klasse, 1. Klasse Pflegeschule" einleitet. Vicari seinen Schwarm Miray und Klenke übernimmt die Rolle des schlauen "Harry Potter".
"Viele Jugendliche stehen nach bestandenen Abschlussprüfungen in der Schule vor der schwierigen Entscheidung, welche Ausbildung sie machen und welchen Beruf sie ergreifen möchten", sagte Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD). Mit der Mini-Serie "Ehrenpflegas" wolle man die Jugendlichen in ihrer Lebenswelt abholen und dort erreichen, wo sie sich Informationen holen. "Nur so können wir dem Fachkräftemangel in dieser Branche begegnen."
"Pflegefachkräfte mit herablassendem Agenturmüll verhöhnt!" Twitter zerreißt "Ehrenpflegas"
Doch die Mini-Serie wirkt wie eine Realsatire. "It takes a remarkable person to be a nurse. So wird im Vereinigten Königreich dafür geworben, dass junge Menschen sich für systemrelevante Ausbildung & Arbeit in der #Pflege entscheiden. In Deutschland verhöhnt @BMFSFJ #Pflegefachkräfte & #Patienten mit herablassendem Agenturmüll", wettert ein Twitter-Nutzer gegen die Kampagne des Familienministeriums und bekommt sogar prompt Antwort. "Ziel der #Ehrenpflegas ist es, Jugendliche für eine Ausbildung in der Pflege zu begeistern & auch mal unkonventionell und unterhaltsam über #pflegeausbildung zu informieren. Wir finden, auch das ist ein Zeichen von Respekt", hält das Ministerium dagegen.
"Ich bin Wissenschaftlerin und arbeite auch in der Pflege. Und Typen wie die #Ehrenpflegas haben da nix zu suchen. Wir brauchen kompetente, professionelle Teamplayer, - oder wollen sie nach nem akuten Schlaganfall auf einer Neurostation von 'Boris' abhängig sein?", wettert eine Twitter-Nutzerin. "Wie wäre es mit mehr Bezahlung, besseren Arbeitsbedingungen und weniger Stress für Pflegekräfte. Das würde sicher mehr zu einem besseren Image des Berufs beitragen als #Ehrenpflegas", heißt es in einem weiteren Tweet.
"Extra 3" zerlegt "Ehrenpflegas"! ARD-Sendung verhöhnt Kampagne der Bundesfamilienministerium
Die ARD-Satiresendung "Extra 3" nimmt die Kampagne ebenfalls gehörig aufs Korn und produzierte ein kurzes Video. Jedoch weiß man als Zuschauer nun nicht mehr, welches der Videos nun die Satire ist. "Werde Pflegekraft? Werde Ehrenpflega!", teasert "Extra 3" ihre Variante auf Twitter an.
"Wenn die Satire mal wieder näher an der Wahrheit ist, als Pseudo-Werbungs-Comedy...", heißt es dazu in einem Tweet. "Danke @extra3 für die superschnelle Reaktion auf den unterirdischen Spot des @BMFSFJ Diese #Ehrenpflegas Kampagne sollte sofort eingestampft werden", schreibt ein anderer.
Beleidigt "Ehrenpflegas" sämtliche Pflegeberufe?
"Wir sind mit der Serie neue Wege gegangen, um junge Menschen auf die #pflegeausbildung aufmerksam zu machen. Ziel ist es, echte #Ehrenpflegas für 1 Ausbildung in der Pflege zu gewinnen. 1 Verzerrung der Realität ist Teil des Konzepts, genau wie bei Extra3", verteidigt das Bundesfamilienministerium die Kampagne auf Twitter. Und das kommt gar nicht gut an: "Ist es euch schon mal in den Sinn gekommen, dass sich ganz viele langjährige Pfleger:innen, gerade auch die, die für Ausbildung zuständig sind, verschaukelt vorkommen könnten? Es herrscht #Pflexit, aber ihr kommt mit so einem Schmarrn? Überlasst die Satire den Humoristen", kommentiert ein Twitter-Nutzer.
"Sorry, aber mir kam da gerade ein bisschen was hoch. Ich als 1 #Ehrenpflegas hätte gerne 1 #Ehrenministas der auch 1 Gedanken verschwendet, wenn was losgetreten wird", wettert ein anderer. "Alleine in den ersten beiden Folgen begehen die Protagonisten mehrere Straftaten sowie medizinisch und pflegerisch schwerwiegende Fehler die zu ernsthaften Komplikationen führen können. Super Idee damit Werbung zu betreiben", kritisiert ein weiterer. Mit solchen Reaktionen konnte doch nun wirklich niemand rechnen. Zwinkersmiley!
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bua/loc/news.de/dpa