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"Cold Cases": DNA-Analyse: Die Roller neuer Kriminaltechnik für die Aufklärung von "Cold Cases"

Experten gehen von hunderten unaufgeklärten Mordfällen in der Bundesrepublik Deutschland aus. Bild: Jens Kalaene/dpa

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Als Holger Kunkel 1997 zur Kriminalpolizei in Braunschweig kam, zählte er ingesamt 21 offene "Cold Cases". Sie gingen bis in die 50er-Jahre zurück, etwa eine Handvoll haben er und seine Kollegen in der Direktion seither gelöst. Mal war jemand bloß verschwunden, mal konnten sie Mörder überführen. Dem Zweifach-Mörder waren die Ermittler dank neuer Kriminaltechnik auf die Schliche gekommen. Eine Zigarettenkippe, an der die DNA von der jungen Anhalterin mit Vokuhila-Frisur genauso klebte wie seine, überführte ihn. "Spur 100", erinnert sich Kunkel.

Überhaupt können zahlreiche "Cold Cases" nur dank DNA-Analysen aufgeklärt werden - sofern es Spuren gibt. Kunkel weiß um einen Fall aus den 70ern, in denen Beamte eine Strumpfhose, mit der eine Frau erwürgt worden war, erst mal desinfiziert hatten - damit sich keine Maden breit machen. Dass sie so Spuren wegputzten, daran dachte damals noch niemand.

Vielerorts landet die Polizei inzwischen auch nur noch dann Treffer, wenn es neue Ermittlungsansätze oder neue Verdächtige gibt. Denn spätestens bis zur Jahrtausendwende, so Ulf Küch vom Bund Deutscher Kriminalbeamter (BdK), hätten viele Dienststellen ihre Altfälle systematisch bereits mit der neuen Kriminaltechnik überprüft.

Auch juristische Folgen: Jugendstrafrecht für zum Teil ergraute alte Männer

Löst die Polizei dennoch wieder einen Fall, so hat das juristisch teils beachtliche Folgen: Oft wird gegen die inzwischen ergrauten Männer Jugendstrafrecht angewandt - wenn sie zur Tat noch minderjährig oder heranwachsend waren. Egg sieht dazu "keine Alternative", denn das Recht müsse den Täter zum damaligen Zeitpunkt berücksichtigen.

Bei sehr alten und gebrechlichen Verdächtigen stelle sich zudem häufig die Frage nach der Haftfähigkeit, denn eine Sanktion wie den Hausarrest gibt es in Deutschland nicht. Dabei wäre das "für manche Täter vielleicht eine gute Option, zumal sie eh nicht weglaufen können", fordert Egg - als Ergänzung zu speziellen Seniorengefängnissen, wie sie in einigen Bundesländern entstünden.

Die "Cold Cases" ruhen zu lassen, sei dagegen keine Option. Selbst nach Jahrzehnten gebe es ein gesellschaftliches Interesse zu wissen, wer der Täter war, so Kriminolge Egg. Er erinnert an die 1979, vor dem Hintergrund der Verbrechen in der Nazi-Zeit, abgeschaffte Verjährungsfrist für Mord. Seither schließt die Polizei ungelöste Tötungsdelikte nie vollständig ab. Und auf seine Fälle blickt Polizist Kunkel sogar täglich.

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