Domina-Beichte: «Männer dürfen meinen Latexarsch küssen»
21.04.2012 12.00
Mitten in einem Gewerbegebiet am Stadtrand von Leipzig, zwischen Supermarkt und Autowerkstatt, erwartet Madame Gillette ihre Besucher. Das Gebäude sieht aus wie ein gewöhnlicher Bürotrakt, doch nachdem die Domina den Türöffner betätigt hat, geht es hinein ins dunkle Reich des Fetischs. Draußen ließ die Sonne noch die Augen blinzeln, hier drin ist es stockfinster. «Komm nach oben», ruft eine tiefrauhe Frauenstimme, die Treppenstufen muss der Gast inmitten der Dunkelheit vorsichtig erfühlen.
Im oberen Stockwerk angekommen, begrüßt ihn Madame Gillette und bittet ins Entrée. Die weiße Ledercouch ist glatt und kühl, so wie der schwarze Latex, der alle Zimmerwände im Studio «Black Fun» auskleidet. Der Kunststoff ist die Grundausstattung für Sadomaso-Spiele, irgendwann hat er Leder verdrängt. Nun liegt ein leichter, aber konstanter Geruch in der Luft, der an Kondome erinnert.
Sadomaso-Gäste sind Geschäftsleute, Beamte oder LKW-Fahrer
Die Kunden, die hierher kommen, um sich bei Fetisch-Rollenspielen unterwerfen zu lassen und sich wie ein Sklave zu fühlen, sind erfolgreiche Geschäftsleute. Oder Rentner. Manchmal sind es auch Familienväter. Oder LKW-Fahrer, wegen der günstigen Lage des Studios zur A9. «Es gibt zwei Arten von Kunden», erklärt Madame Gillette, die von RTL2 als eine der zehn strengsten Dominas Deutschlands beschrieben wurde. «Die einen sind in Alltag und Berufsleben dominant und wollen ihre andere Seite bei uns ausleben. Die anderen sind von Natur aus etwas devoter.» Frauen aber sind selten Gäste.
Die Männer ziehen sich zentimeterdicke Latex-Kostüme an, inklusive Handschuhen und Maske. Sie wollen sich als Puppe fühlen, ausgeliefert sein, die Kontrolle komplett abgeben. Manch ein Mann sieht sich in diesen dunklen Stunden lieber als Frau: Dafür steht ein extra Transvestitenzimmer zur Verfügung - mit Schminktisch, einen großen Auswahl von High-Heels und großem Spiegel.
Wer will, kann auch einen Aufenthalt im Klinikraum des SM-Studios buchen. Es ist das einzige helle Spielzimmer. Hier dominieren rot und weiß, hier gibt es Gynäkologenstühle für Männer, auf denen eine ganz spezielle Behandlung für alle Körperöffnungen stattfindet und zugleich noch Stromschläge verteilt werden.
Wer will, kann sich auch am «Dirty Dreams Deluxe» fesseln lassen - einer Edelstahl-Toilette, bei der die Damen ihr Natursekt-Geschäft verrichten, während der Sklave dabei aus Perspektive der Kloschüssel zuschaut.
Die Domina hatte früher einen Bürojob
Für ihre Gäste kleidet sich Madame Gillette in einen beigefarbenen Latex-Ganzkörperanzug mit exorbitant großen Brüsten. Heute, zum Interviewtermin, sitzt eine Frau mittleren Alters auf der Couch, die eigentlich Angela Müller heißt und einen schwarzen Rollkragenpulli und blaue Jeans trägt. Die sächsische Wirtschaftskauffrau hatte früher einen Job im Büro. Gemeinsam mit ihrem Mann Sven (50) entdeckte sie vor Jahren ihre Begeisterung für Sadomaso-Rollenspiele.
Aus dem Spaß wurde ein Geschäft: Seit zehn Jahren unterwirft Madame Gillette als Domina die Männerwelt, früher als Ich-AG, seit vier Jahren im Sadomaso-Studio. Architekt Sven zeichnet für die Einrichtung des Studios verantwortlich, mit vielen dunklen Details, die zur schmerzenden Lust dazugehören. Mittlerweile erniedrigen neben Madame Gillette fünf bis sechs weitere Dominas die männliche Kundschaft.
Sex zwischen Domina und Sklave tabu
In den Behandlungsräumen des Studios warten zahlreiche Erniedrigungsinstrumente auf die Kundschaft: Streckbank, Fesseln, Vakuumsäcke, Sklavenstuhl oder Strafkorsett. «Die meisten Fetischisten mögen aber keine Schmerzen», sagt Madame Gillette. «Sie wollen mich als Herrin vergöttern.» Auch wenn die Männer Orgasmen bekommen - Sex zwischen Sklave und Domina ist für sie tabu. «Wenn es gut läuft, dürfen sie mir den Latexarsch küssen». Eine Session dauert mehrere Stunden. Nach dem anstrengenden Tagesaufenthalt kann eine zusätzliche Übernachtung im Wasserbett, Käfig oder Gummisack gebucht werden.
Auch wenn für Madame Gillette das Strafen und Erniedrigen mittlerweile Tagesgeschäft ist: Sie glaubt, dass in fast jedem Menschen zwei Seiten stecken – die dominante und die unterwürfige. Ein abschätziges Männerbild habe sie nach zehn Arbeitsjahren nicht entwickelt. «Aber mir macht es Spaß, wenn der Mann anfängt zu jammern», sagt sie und grinst.
jag/iwi/brc/news.de