Frauen als Täter: Wenn Männer zum Sex gezwungen werden
Von news.de-Redakteur Jan Grundmann
21.03.2019 15.12
«Männliches Opferverhalten ist in unserer Gesellschaft nicht normal», sagt der Sozialwissenschaftler Peter Döge. Er forscht seit mehr als zehn Jahren über Männer am Institut für anwendungsorientierte Innovations- und Zukunftsforschung (Viel mehr Männer als erwartet leiden unter häuslicher Gewalt.
Zwar gibt es auch ein Gewaltschutzgesetz, das seit 2002 das Opfer, egal ob Frau oder Mann, in Schutz nimmt. Doch das werde in der Praxis meist zu Gunsten der Frau ausgelegt, sagt Peter Thiel vom Männerhaus Berlin. In Deutschland gibt es genau zwei dieser Zufluchtsorte für männliche Gewaltopfer: Neben dem Erstling in Berlin befindet sich ein weiteres in Oldenburg. Dem stehen mehr als 300 Frauenhäuser gegenüber.
Jede dritte Frau verübt Gewalt
Denn in Deutschland herrsche die Meinung, dass Frauen die Opfer seien, so Sozialwissenschaftler Döge. Deshalb hat er genauer hingesehen - und die erste repräsentative Studie in Deutschland zum Gewaltopfer Mann vorgelegt. Fast 1500 Männer und 1000 Frauen wurden befragt.
Für den Wissenschaftler beginnt Gewalt nicht erst, wenn das Opfer im Krankenhaus liegt, sondern bezieht auch leichte Körperattacken und verbale Angriffe ein. «Das Schlagen mit der flachen Hand, die Ohrfeige, das Treten: Dabei unterscheiden sich Männer und Frauen nicht.» Natürlich gebe es Unterschiede im Gewaltverhalten: Männer teilen mehr schwere körperliche und sexuelle Gewalt aus als Frauen. Die wiederum gehen verbal zur Sache: Anschreien, Kontrollgewalt über die Handlungen und Aktivitäten des Mannes, aber auch leichte Schläge.
Laut der Studie Männer - die ewigen Gewalttäter?, die hier als Kurzversion abrufbar ist, liegen Männer und Frauen gleichauf. Beide Geschlechter teilen ähnlich viel aus, beide Geschlechter müssen ähnlich viel Gewalt erleiden. So ist jeder dritte Mann, aber eben auch jede dritte Frau gewaltaktiv. Und etwa 40 Prozent der befragten Frauen, aber eben auch Männer sind Opfer. Schläge und Aggression gegenüber dem Partner? Jeder fünfte Befragte beider Geschlechter gestand: Ja, schon mal gemacht.
Acht Prozent der Frauen haben ihren Partner sexuell genötigt
Fast jede zwölfte Frau, das sind rund acht Prozent der weiblichen Befragten, hat ihren Partner bereits sexuell genötigt. «Sie haben angegeben, ihren Partner zu sexuellen Handlungen gezwungen zu haben», sagt Döge. Wie das funktioniert? «Eine Frau kann etwa die Genitalien des Mannes gegen seinen Willen anfassen, sie können sie gegen ihren Willen masturbieren.» Der Anteil der Frauen, die sich durch ihre Männer sexuell genötigt fühlten, liege etwas höher: bei zwölf Prozent.
Trotzdem: Männer als Sex-Opfer? Funktioniert das denn überhaupt, anatomisch? Offenbar. Englische Wissenschaftler haben das Phänomen in einer Pilotstudie Ende der 1990er Jahre untersucht. Drei Prozent der englischen, volljährigen Männerschaft wurde demnach im Erwachsenenalter sexuell genötigt. Fünf Prozent mussten diese Erfahrung als Junge durchmachen. Die drei Wissenschaftler - übrigens allesamt Männer - haben die Spielarten der Sex-Nötigung aufgezählt: Neben der Genitalberührung zählen der unfreundliche Blow-Job, Zwangs-Cunnilingus und Sex auf Befehl zu den Nötigungen, denen Männer laut der Befragung am häufigsten ausgeliefert waren.
«Wir sollten auch in Deutschland die vereinfachenden Ideologien sein lassen, dass nur Männer die Täter sind, dass alles patriarchale Unterdrückungsgewalt ist. So kommen wir in der Gewaltprävention nicht weiter», sagt Döge. Und fordert mehr Beachtung für den Mann als Opfer. Peter Thiel vom Berliner Männerhaus würde sich ihm vermutlich anschließen. Auf der Webseite des Männerhauses dokumentiert er den Briefwechsel mit der Berliner Senatsverwaltung, um Fördermittel zu bekommen. Im Dezernat Wirtschaft, Arbeit und Frauen? Abgelehnt. Im Fachbereich Bildung, Jugend und Sport? Auch nicht. Eine Lobby für Männer? Fehlanzeige in Deutschland.
iwi/ivb/news.de