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Graphologie: Wie die Handschrift verrät, wer wir sind

Wo früher die Feder geschwungen wurde, findet sich heutzutage vor allem Druckerfarbe. Bild: dpa

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Sie scheint vom Aussterben bedroht: die Schreibschrift. Der leise über das Papier streifende Füllfederhalter ist schon lange aus deutschen Büros verschwunden. Tastaturgeklimper herrscht vor. Dabei sagt die Handschrift viel über ihren Urheber aus. Schon der Philosoph Gottfried Wilhelm Leibniz schrieb: «Die Schrift drückt fast stets, wenn sie frei und nicht schulmäßig gezwungen ist, auf die eine oder andere Weise den angeborenen Charakter aus.»

Graphologen würden das unterschreiben. Für sie ist die Handschrift wie ein Fingerabdruck - einzigartig und unverwechselbar. Die Münchner Schriftpsychologin Evelin Winands geht mit Lupe und Zeilenmesser zu Werke, damit ihr beim Analysieren von Schriftproben kein Strich entgeht. Für Unternehmen erstellt sie Gutachten, die bei wichtigen Personalentscheidungen helfen sollen. Aber auch Privatpersonen, die mehr über ihre Stärken und Schwächen wissen wollen, Hilfe bei einer Entscheidung oder bei Lernproblemen ihrer Kinder brauchen, wenden sich an sie.

Morgens schreibt es sich anders als abends

«Der Mensch kann über seine Schrift ganzheitlich beschrieben werden», sagt Winands. Willenseigenschaften, Gefühle und Emotionen, die individuelle Belastbarkeit - all das lasse sich aus der Handschrift ablesen. Sie zeige auch, ob jemand Praktiker oder theoretisch veranlagt ist, betont Graphologin Christiane Sarreiter. «Die Hand wird vom Gehirn aus gesteuert. Deshalb spiegelt sich die Verfassung des Menschen in dem Moment, in dem er schreibt, direkt in der Schrift wider», sagt sie.

Für eine Analyse braucht sie mindestens eine Schriftprobe. Optimal sind mehrere Proben aus verschiedenen Zeiträumen. Denn die Handschrift verändert sich im Laufe des Lebens, passt sich Umfeld und Aufgaben eines Menschen an. «Zum Beispiel das schnelle Schreiben in der Schule oder während des Studiums - da geht es gar nicht anders und man verkürzt die Schreibwege», erklärt Winands. Die Schrift werde so immer abgeschliffener.

Auch von der Stimmungslage hänge ab, wie jemand schreibt. Am Morgen sei die Schrift in der Regel schöner, fließender und ordentlicher, weil der Geist noch frisch und ausgeruht ist. Am Abend werde unter dem Eindruck des Tages etwas unruhiger geschrieben.

Zwischen den Buchstaben lesen

Die individuelle Note sei jedoch stets unverkennbar. Deshalb muss die Schriftpsychologin den Schreiber nicht persönlich kennen, um ein Gutachten zu erstellen. «Es ist sogar besser, die Person nicht zu kennen. Am liebsten ist es mir, wenn ich nur Alter und Beruf weiß», gibt Winands zu. So könne sie unbefangener analysieren.

Dabei orientiert sie sich an verschiedenen Schriftmerkmalen wie der Bewegung der Buchstaben, ihrer Größe und Lage. Wie die Schrift im Raum angeordnet ist, zeige, ob ein Mensch schüchtern oder laut ist und wie er zu anderen steht. «Sind die Wortabstände zum Beispiel sehr weit, hat der Schreiber meist Angst, anderen zu nahe zu kommen», sagt Sarreiter. Auch die Form der Schrift - rund oder spitz, schön ausgeformt oder strichig - spiele eine Rolle.

Jede Schrift habe einen Rhythmus, der ihren Eindruck prägt. «Das ist wie bei einem Musikstück. Ein angenehmer Rhythmus springt ins Auge, macht die Schrift ansehnlich. Der Mensch ist schließlich verführbar mit schönen Dingen», so Winands. Dennoch sei es in der Graphologie unwichtig, ob eine Schrift schön oder geschmiert ist. Es komme darauf an, ob sie echt oder eher gestaltet ist, ob für sich selbst oder jemand anderen geschrieben wird. «Je freier der Schreiber sich fühlt, desto freier wird seine Schrift», sagt Sarreiter. Winands unterscheidet hier zwischen einer privaten und einer offiziellen Handschrift.

Mit Schnörkeln und Ecken schreibt nicht jeder

Die Einzelmerkmale der Schrift ergeben nur Sinn in ihrer Kombination, betonen beide. An einem einzelnen Zeichen könne keine Charaktereigenschaft festgemacht werden. Es lasse aber erste Rückschlüsse auf den Schreiber zu.

Jemand, der seine Schrift mit vielen Schnörkeln versehe, sei ein Mensch, der gerne verschönt und Freude am Spielerischen hat. Besonders auffällig sei der Unterschied zwischen Groß- und Kleinschreibern, wenn auch nicht auf den ersten Blick logisch. Denn: «Wenn jemand sehr groß schreibt, ist er nicht unbedingt großzügig», erklärt Winands. Ganz im Gegenteil. Er brauche viel Platz und Freiraum, um zu zeigen: «Hier bin ich». «Da ist oft auch ein ziemlicher Egoismus dahinter», so die Graphologin. Kleinschreiber seien hingegen introvertierter. Sie müssten keine großen Töne machen, ruhten mehr in sich und betonten die Sache statt die Person.

Klicken Sie sich in unserer Bilderstrecke durch verschiedene Schriften und erfahren Sie, was Graphologen über Angela Merkel und den Papst sagen.

rzf/ham/news.de