Coronavirus aktuell im Lesertelefon: Das sollten Allergiker und Asthma-Patienten jetzt beachten
Erstellt von Claudia Löwe
23.05.2020 17.13
Für Pollenallergiker und Menschen mit allergischem Asthma sind Atemwegsbeschwerden Teil ihrer Erkrankung. Doch die Corona-Pandemie sorgt für große Verunsicherung, wenn Symptome wie Husten, Heiserkeit, Schnupfen oder Kurzatmigkeit auftreten. Sofort steht der Gedanke im Raum, es können sich womöglich um Anzeichen einer Corona-Infektion handeln. Doch lassen sich Beschwerden selbst sicher einordnen? Besteht ein erhöhtes Risiko für eine Ansteckung oder einen schweren Krankheitsverlauf? Und worauf sollten Menschen mit einer Pollenallergie oder allergischem Asthma jetzt besonders achten? Expertinnen und Experten lieferten am Lesertelefon des Deutschen Allergie- und Asthmabunds (DAAB) die Antworten.
Allergie, allergisches Asthma oder Corona? Leser fragen, Experten antworten
Die wichtigsten Tipps zum Nachlesen gibt's hier im Überblick.Den interessierten Fragen der Anrufer am Lesertelefon stellten sich vier Experten. Neben Prof. Dr. med. Randolf Brehler, seines Zeichens Facharzt für Dermatologie, Allergologie, Phlebologie und Umweltmedizin sowie Oberarzt an der Klinik für Hautkrankheiten, Allergologie, Berufsdermatologie und Umweltmedizin am Universitätsklinikum Münster stand auch Prof. Dr. med. Eckard Hamelmann, Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin, Kinder-Pneumologie, Allergologie und Infektiologie sowie Chefarzt der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin am Evangelischen Klinikum Bethel, Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Allergologie und klinische Immunologie (DGAKI) und Präsident des German Asthma Net (GAN) e.V. in Bielefeld Rede und Antwort. Das Expertenteam wurde ergänzt von Prof. Dr. med. Ludger Klimek, Facharzt für HNO-Heilkunde, Allergologie, Umweltmedizin und Naturheilverfahren sowie Leiter des Zentrums für Rhinologie und Allergologie in Wiesbaden und Präsident des Ärzteverbandes Deutscher Allergologen in Wiesbaden. Darüber hinaus beantwortete Dipl.-Biologin Anja Schwalfenberg, die als wissenschaftliche Mitarbeiterin im DAAB-Beratungsteam zum Thema Asthma, Deutscher Allergie- und Asthmabund e.V. in Mönchengladbach tätig ist, Anruferfragen am Lesertelefon.
Kann ich selbst erkennen, ob meine Beschwerden durch die Allergie oder durch eine Corona-Infektion bedingt sind?
Prof. Dr. med. Ludger Klimek: Offenbar ist es selbst für "erfahrene" Inhalationsallergiker schwierig, bekannte Symptome wie trockenen Husten, Atemnot, Niesreiz und Schnupfen von denen einer COVID-19 Infektion zu unterscheiden. Zwar können unterschiedliche entzündliche Atemwegserkrankungen wie Allergien und Virusinfektionen gleichartige Beschwerden verursachen, dennoch gibt es recht zuverlässige Unterscheidungsmerkmale, die von den Betroffenen selbst beurteilt werden können: Während Infektionen mit dem SARS CoV-2 Virus in den meisten Fällen durch Fieber und trockenen Husten gekennzeichnet sind, weisen Allergiker kein Fieber auf, dafür aber häufig juckende Augen- und Nasenschleimhäute, tränende Augen, Niesreiz und Schnupfen. Die Unterschiede und Gemeinsamkeiten von Atemwegsallergien und verschiedenen Viruserkrankungen haben wir in einer Übersicht zusammengestellt.
Habe ich mit allergischem Asthma ein erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf bei einer COVID-19-Infektion?
Prof. Dr. med. Ludger Klimek: Bislang kann man sagen, dass Patienten mit chronischen Atemwegserkrankungen als Risikopatienten für COVID-19 gelten. Beim Asthma erkennen wir jedoch mehr und mehr, dass ein gut behandeltes und gut kontrolliertes Asthma kein erhöhtes Risiko darstellt. Dies hängt damit zusammen, dass das Coronavirus Sars-CoV-2 menschliche Zellen befällt, indem es einen Rezeptor nutzt, der unter anderem an der Regelung des Blutdrucks beteiligt ist, das Angiotensin-konvertierende Enzym 2 (ACE2). Durch diese Eintrittspforte in die Zellen schleust Sars-CoV-2 seine Erbsubstanz ein und nutzt den Zellstoffwechsel zur Virenproduktion. Nach den Ergebnissen von zwei Studien haben gut behandelte Asthma-Patienten weniger von diesen ACE2-Rezeptoren - und damit weniger Angriffspunkte für Sars-CoV-2.
Haben die Medikamente, die ich für meine Allergie und mein Asthma einnehme, Einfluss auf meine Immunabwehr?
Prof. Dr. med. Ludger Klimek: Für gängige Nasen- und Asthma-Sprays gilt dies definitiv nicht. Im Gegenteil: Sie scheinen eine gewisse Schutzfunktion zu haben, obwohl – oder gerade weil – sie Cortison enthalten. Anders könnte das bei Cortison in Tabletten- oder Spritzenform aussehen. Hier könnte eine immunsupprimierende Wirkung bei längerer Einnahme bestehen. Aber auch hier gilt, dass eine einzige Cortisontablette die Immunabwehr nicht wesentlich beeinträchtigt.
Woran erkenne ich, ob mein Asthma gut eingestellt ist?
Anja Schwalfenberg: Indem Sie selbstkritisch betrachten, wie gut ihre Symptome unter Kontrolle sind: Erwachsene Patienten sollten in den zurückliegenden vier Wochen nicht häufiger als zweimal pro Woche tagsüber Atemwegsbeschwerden wie Husten, pfeifende Atemgeräusche oder eine Brustenge gehabt haben. Sie sollten auch nicht in der Nacht durch Asthmabeschwerden erwacht sein. Das Bedarfsspray zur Erweiterung der Bronchien bei Atemnot darf nicht zu häufig angewendet werden und die Aktivität der Patienten sollte durch das Asthma nicht eingeschränkt sein. Trifft auch nur einer dieser Punkte nicht zu, ist eine ärztliche Rücksprache zu empfehlen, um zu klären, ob die Behandlung optimiert werden kann.
Gibt es eine Art Selbstkontrolle für mein Asthma?
Anja Schwalfenberg: Die eigene Kontrolle der Symptome gehört zu dem, was wir Selbstmanagement nennen – ein wesentlicher Teil der Asthmatherapie. Dazu zählt das regelmäßige Messen der Atemstromstärke in Litern Luft pro Minute mit einem sogenannten Peak-Flow-Meter. Durch eine regelmäßige Messung können Verschlechterungen mittels eines Ampelsystems frühzeitig erkannt werden. Zunächst wird über einige Wochen hinweg die "Grünphase" ermittelt, also der Bereich von 80 bis 100 Prozent des persönlichen Bestwerts. Daraus ergeben sich dann die Gelb- und Rotphasen, in denen zum Beispiel die Medikation entsprechend angepasst wird oder andere Maßnahmen ergriffen werden müssen.
Gelten für asthmatische Kinder besondere Schutzmaßnahmen, da sie eventuell ein höheres Risiko tragen sich anzustecken?
Prof. Dr. med. Eckard Hamelmann: Das Infektionsrisiko ist unabhängig vom Asthma für alle Kinder und Jugendlichen gleich groß. Ausgenommen sind Patientinnen und Patienten, die einen Immundefekt haben. Das Risiko für einen schwereren Verlauf einer CoVid-19-Erkrankung ist bei den Patienten höher, die ein schlecht eingestelltes, unkontrolliertes Asthma aufweisen oder unter einer angeborenen Lungenerkrankung wie etwa der Zystischen Fibrose leiden. Deshalb ist unbedingt darauf zu achten, die antientzündliche Dauertherapie oder die Einstellung mit Biologika bei Schwerem Asthma fortzusetzen; auch eine allergenspezifische Immuntherapie sollte unbedingt fortgesetzt werden, um die Symptome so gering wie möglich zu halten. Die gute Symptomkontrolle ist der beste Schutz gegen einen komplizierten Verlauf nach einer Corona-Infektion.
Meine Tochter, zwölf Jahre alt, hat allergisches Asthma. Soll sie aktuell zum Unterricht gehen, wenn die Schule wieder öffnet?
Prof. Dr. med. Eckard Hamelmann: Kinder und Jugendliche leiden unter Corona-Infektionen deutlich weniger als Erwachsene, insbesondere ältere Menschen. Viele Kinder und Jugendliche haben eine Infektion durchgemacht, ohne es zu bemerken oder sie haben lediglich geringe Symptome im Sinne einer kleinen Erkältungskrankheit entwickelt. Als Risikofaktoren für einen schweren Verlauf gelten angeborene oder schwere erworbene Lungenerkrankungen. Bei einem gut eingestellten Asthma bronchiale mit entsprechend guter Symptomkontrolle ist der normale Schulbesuch und sind auch die anderen normalen Aktivitäten im täglichen Leben als unproblematisch anzusehen.
Mein achtjähriger Sohn leidet seit drei Jahren unter einer Gräserpollenallergie. Ich würde gerne mit ihm eine Hyposensibilisierung beginnen. Wann wäre der richtige Zeitpunkt?
Prof. Dr. med. Eckard Hamelmann: Bei einer bereits über so lange Zeit andauernden Gräserpollenallergie ist eine spezifische Immuntherapie sicherlich indiziert, nicht zuletzt, um die Entwicklung eines Asthma bronchiale zu verhindern. Eine sublinguale Immuntherapie, zum Beispiel mit Tabletten, kann grundsätzlich jederzeit begonnen werden. Anders die subkutane Immuntherapie, bei der Spritzen verabreicht werden: Sie sollte erst nach der aktuellen Gräsersaison anlaufen, um die Pollenexposition und die damit verbundenen Beschwerden so gering wie möglich zu halten.
Kann ich aktuell einen Allergietest durchführen oder belastet das mein Immunsystem zu sehr?
Prof. Dr. med. Randolf Brehler: Im Prinzip kann ein Allergietest auch jetzt durchgeführt werden. Die Allergenmengen sind so gering, dass eine Belastung des Immunsystems nicht zu erwarten ist. Allerdings wird empfohlen, aktuell nur Tests durchzuführen, die aus medizinischen Gründen wirklich notwendig sind. Dies gilt zum Beispiel für Lebensmittelallergien, Medikamentenunverträglichkeiten und Insektenstichreaktionen. Tests können unter Umständen auch bei Patienten mit Asthma und Rhinokonjunktivitis angezeigt sein, wenn aktuell die Frage besteht, ob spezielle Allergene gemieden werden müssen. Nicht dringend notwendige Tests sollten aufgrund der Pandemie verschoben werden.
Trage ich als Neurodermitiker ein höheres Risiko mich mit Sars-Cov-2 zu infizieren?
Prof. Dr. med. Randolf Brehler: Grundsätzlich weisen Menschen mit Neurodermitis bei Einhaltung der empfohlenen Hygienemaßnahmen kein höheres Risiko auf, mit dem Virus in Kontakt zu kommen und sich zu infizieren. Was den Verlauf nach einer Ansteckung betrifft, sind Übergewicht, Diabetes und Bluthochdruck sowie Lungenerkrankungen, insbesondere die COPD, Risikofaktoren für einen schweren Krankheitsverlauf. Erkrankungen und Medikamente, die das Immunsystem unterdrücken, sind für Viruserkrankungen von Bedeutung, da das Immunsystem Viren weniger gut abwehren kann. Patienten mit Neurodermitis wird empfohlen, sämtliche Therapien unverändert fortzusetzen. Sollte ein Neurodermitiker unter einer Systemtherapie an Covid-19 erkranken, muss interdisziplinär entschieden werden, wie die Therapie fortgeführt wird.
Kann eine Pollenallergie auch eine Nesselsucht auslösen oder deren Symptome verstärken?
Prof. Dr. med. Randolf Brehler: Nesselsucht, im Fachausdruck Urtikaria, ist nur selten auf so genannte Soforttypallergien zurückzuführen. Allerdings berichten manche Patienten über Urtikaria zu Zeiten des Pollenfluges. Der Hautkontakt mit höheren Allergenmengen, die sich in der Luft befinden, kann vermutlich auch zu einer Quaddelbildung führen. Viel häufiger sind aber andere Ursachen wie Lebensmittelunverträglichkeiten, chronische Infekte und gelegentlich andere zugrundeliegende Erkrankungen. Meist allerdings findet man die Ursache für die chronisch spontane Urtikaria nicht, sie muss aber ausreichend behandelt werden.
Welche Möglichkeit habe ich bei einer Pollenallergie außer Medikamenten noch, um meine Beschwerden zu lindern?
Anja Schwalfenberg: Je weniger Pollenkontakt, desto weniger allergische Beschwerden – aber es ist schwer, den Pollen im Alltag auszuweichen. Zusätzliche Maßnahmen wie das abendliche Waschen der Haare oder die tägliche Anwendung einer sogenannten Nasendusche können die Pollenlast jedoch reduzieren. Beim Einsatz einer Nasendusche mit isotoner Salzlösung wird die Nasenschleimhaut zudem zusätzlich befeuchtet und Nasenschleim gelöst.
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