Neuer Wirkstoff: Diabetes einfach wegpinkeln
Von news.de-Redakteur Andreas Schloder
08.08.2013 11.24
Von hohen Blutzuckerwerten runterkommen – davon können viele Diabetiker nur träumen. Ist er permanent zu hoch, wird er zur Belastung für die Nieren, die in Folge dessen den Dienst versagen. Zudem steigt das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Was den Diabetiker vom Gesunden unterscheidet: Normalerweise kann kein Zucker über die Harnblase ausgeschieden werden. Dafür gibt es in den Nieren einen Filter, der ihn zurückhält. Beim Zuckerkranken sind die Werte im Blut aber so hoch, dass der Zucker in den Urin schwappt.
Um diese hohe Konzentration langfristig runter zu schrauben, müssen Diabetiker zu Tabletten oder Spritzen greifen. Das Medikament, das am häufigsten verschrieben wird, heißt Metformin. Doch auch dieses führt nicht immer allein zum Erfolg.
Neuer Ansatz der Forschung
Nun haben Forscher das Pferd von hinten aufgezäumt: Der Patient soll jetzt so viel Zucker auspinkeln, wie er nur kann. Sie haben den Arzneistoff Dapagliflozin entwickelt, der einen Rücktransport des Zuckers in die Nieren blockiert und so über den Urin ausgeschieden wird. Schon eine Tablette am Tag reicht aus.
Seit knapp einem halben Jahr ist das Medikament in Deutschland zugelassen. Nach Angaben des Deutschen Diabetiker Bundes (DDB) haben es Ärzte schon an über 16.000 Diabetikern verschrieben, die vorwiegend an Diabetes Typ 2 erkrankt sind.
Vor-, aber auch gravierende Nachteile
Der Wirkstoff zeigt Wirkung. So wurde in mehreren Studien nachgewiesen, dass er den Langzeitwert des Blutzuckers deutlich senkt – in Kombination mit weiteren Medikamenten zusätzlich. Schöner Nebeneffekt: Die Patienten bauen ihr Übergewicht ab, was auch in Folge den meist vorliegenden Bluthochdruck senkt.
Doch es gibt auch Nachteile: Patienten mit Nierenproblemen – und das sind rund ein Drittel aller Diabetiker – sollten um den Wirkstoff einen weiten Bogen machen. Zudem ist er nicht für Patienten geeignet, die älter als 75 sind oder Tabletten zur Entwässerung nehmen müssen. Außerdem treten häufiger Infekte an den Harnwegen auf.
Streit um die Kosten
Grund genug für den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA), der die Medikamente und deren Bezahlung in Deutschland regelt, Dapagliflozin als einen Wirkstoff ohne Zusatznutzen einzustufen. Und sprechen sich gegen eine Kostenerstattung aus. Der Patient muss selbst zahlen.
Für den DDB ist diese Entscheidung nicht nachzuvollziehen. Im Hinblick auf den internationalen Vergleich hält er den Beschluss für «völlig unschlüssig» und befürchtet eine gesundheitliche Gefährdung des Patienten, wie der DDB in einer Pressemitteilung darauf antwortete.
loc/jag/news.de