Metabolisches Syndrom: Der Tod kommt schleichend
Von news.de-Redakteur Andreas Schloder
21.03.2019 15.12
Auch wenn Dirk Bach als Entertainer die Nation mit seinem Humor spaltete, mit seiner fülligen Erscheinung repräsentierte er mittlerweile einen besorgniserregenden Trend in Deutschland: 66 Prozent aller Männer und mehr als die Hälfte aller Frauen sind übergewichtig - jeder fünfte Bundesbürger ist sogar stark übergewichtig, also adipös.
Die Entwicklung macht auch vor dem Nachwuchs nicht halt: In Deutschland sind bereits 15 Prozent der Kinder und Jugendlichen übergewichtig. Und mehr als sechs Prozent davon richtig fett.
Kein Wunder, dass das dicke Problem mittlerweile jede ärztliche Fachrichtung beschäftigt. Und alle auf den Plan ruft, dagegen vorzugehen. So war es auch zentrales Thema auf dem gerade zu Ende gegangenen Urologenkongress in Leipzig. Der Präsident der Deutschen Gesellschaft der Urologie (DGU), Professor Stefan Müller, zeigte sich in seiner Einführung Mal schockiert angesichts der Anzahl von Übergewichtigen, die er am Tagungswochenende in der Stadt sah.
Auch aus der Praxis erzählte der Tagungspräsident und brachte es mit einem plastischen Beispiel auf dem Punkt. Als sich ein Patient mit rund 120 Kilogramm Gewicht Sorgen um seinen Prostata-Krebs machte, meinte Müller nur: Der Tumor werde ihn nicht umbringen, vielmehr sollte er auf seinen Diabetes achten, der das übernehmen werde.
Mediziner sprechen vom «schleichenden Killer» oder auch vom «Quartett des Todes»: Das metabolische Syndrom umfasst die Probleme Übergewicht und die daraus resultierenden Erkrankungen wie Diabetes, Bluthochdruck und ungünstige Blutfettwerte.
Übergewicht beschäftigt zunehmend auch die Urologen
Die Experten haben vor allem den zunehmenden Bauchumfang und weniger den Body-Mass-Index (BMI) im Visier. Denn dieser ist ein eindeutiger Risikofaktor und beschäftigt auch immer stärker die Urologen. Vor allem Prostata-Krebs wird mit Übergewicht in Verbindung gebracht, da zu viele Pfunde den Hormonhaushalt beeinflussen und negativ verändern.
Wie sich das unabhängig vom Geschlecht auswirkt, schildert Professor Müller eindrucksvoll: «Eine Gewichtsreduktion von zehn Kilogramm kann beispielsweise das Risiko, an einem Brust-, Gebärmutterschleimhaut- oder Darmkrebs zu erkranken, um bis zu 40 Prozent reduzieren.»
Auch das Liebesleben wird durch starkes Übergewicht schlichtweg erdrückt. Liegen Erektionsstörungen oder Testosteronmangel vor, ist dies für den Urologen ein eindeutiges Zeichen, dass der Patient abspecken muss. Denn Herzinfarkt und Impotenz haben identische Risikofaktoren.
Wenn nicht, kann es schnell vorbei sein. Denn der mit dem Metabolischen Syndrom oft verbundene Diabetes schraubt die Lebenserwartung auch deutlich nach unten. «Ist das persönliche Risiko ,einen Diabetes zu entwickeln, höher als zehn Prozent, verkürzt sich die Lebenserwartung um 13 Jahre», erklärt der DGU-Präsident.
Diabetesrisiko steigt um 80 Prozent
Umso stärker rückt die Prävention in den Fokus: Bewegung, eine ausgewogene Ernährung, Nikotin- und Alkoholverzicht sowie Normalgewicht seien Müller zufolge die Garanten für ein gesundes und langes Leben. «Jemand, der diese Punkte nicht erfüllt, hat ein mehr als 80 Prozent höheres Risiko, an Diabetes zu erkranken», erklärt der Urologe. Umgekehrt könne jeder einzelne der Faktoren das Diabetesrisiko um rund 30 Prozent senken.
Mit Blick auf die Zukunft gelte es Müller zufolge, vor allem junge Männer in der Prävention zu unterstützen. Während Mädchen und junge Frauen schon selbstverständlich zum Frauenarzt gehen, wollen die Urologen eine Jungensprechstunde an den Mann bringen. «Wer, wenn nicht wir, sollte ihm erklären, dass das Metabolische Syndrom ihm frühzeitig die Potenz raubt und das Leben verkürzt», ist Müller überzeugt.