Gesundheit

Schmetterlingskrankheit: Die Qualen der Schmetterlingskinder

Berührungen schmerzen, die Haut wirft Blasen - Schmetterlingskinder haben ein qualvolles Leben. Bild: Istockphoto

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Der Leben des kleinen Jan (5) ist hart. Er darf nicht mit anderen Kindern Cowboy und Indianer spielen, nichts Festes essen, wird täglich in stundenlanger Prozedur wundversorgt. Seine Mutter Klara (35) achtet mit Argusaugen darauf, dass ihr Liebling nicht hinfällt, sich nicht stößt. Jede Berührung ist für Jan schmerzhaft. Das Haarekämmen fühlt sich an, als würden ihn 1000 Nadeln piksen. Immer wieder kommt es zu Verletzungen der Haut.

Wenn die Haut Blasen wirft

Jan ist ein sogenanntes «Schmetterlingskind» - er leidet an Epidermolysis bullosa (EB). Von der Schmetterlingskrankheit ist die Rede, weil die Haut ebenso verletzlich ist, wie die Flügel eines Schmetterlings. Bereits leichteste Stöße und Stürze führen zu Blasen- und Wundbildung. Der Grund: ein genetischer Defekt.

«Die Ursache der Erkrankung liegt in einem Gendefekt, also einer Art Fehler in ihrem genetischen Bauplan. Es gibt inzwischen mindestens 14 Gene, die bei der EB betroffen sein können. Jedes Gen kann verschiedene Mutationen aufweisen», erklärt Dr. Agnes Schwieger-Briel, Fachärztin für Kinderheilkunde am EB-Zentrum Freiburg.

Der Defekt betrifft spezielle Ankerproteine in der Haut. Sie halten die unterschiedlichen Schichten der Haut normalerweise zusammen. Bei den EB-Betroffenen ist diese Art Kitt in seiner Funktion eingeschränkt oder bestimmte Komponenten fehlen komplett. Deshalb trennen sich die Hautschichten bereits durch schwache [tt=Flächen werden relativ zueinander verschoben. ]Scherkräfte voneinander. Körpereigene Flüssigkeit tritt in die entstandenen Spalten - die Haut wirft Blasen.

Dass die kleinen Patienten selbst bei sanfter Berührung starke Schmerzen haben, liegt bei einigen von ihnen ebenfalls an einem Ankerprotein. Forscher am Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in Berlin haben in Kooperation mit dem Netzwerk Epidermolysis bullosa (EB-Netz) und dem Freiburg Zentrum für Seltene Erkrankungen sowie der Universität zu Köln herausgefunden, dass die Betroffenen das Protein Laminin-332 nicht bilden können. Es ist dafür zuständig, die Weiterleitung von Berührungsreizen und die Verzweigung von Nervenzellen zu hemmen. Dem Team um Gary Lewin zufolge nehmen die Patienten deshalb Berührungen viel stärker wahr als gesunde Menschen.

Verschiedene Schweregrade

Epidermolysis bullosa tritt in verschiedenen Schweregraden auf und betrifft in Deutschland zwei bis drei von 100.000 Menschen. «Es gibt drei Unterformen der Schmetterlingskrankheit: EB simplex (EBS), junktionale EB (JEB) und dystrophe EB (DEB)», erklärt Schwieger-Briel. Der Expertin zufolge haben viele Patienten trotz ihrer Erkrankung eine normale Lebenserwartung. Betroffene mit einer sehr schweren Form erreichen in der Regel zwar das Erwachsenenalter, werden aber im Schnitt nur 40 Jahre alt. «Bei der schwersten Unterform, der JEB-Herlitz, versterben die betroffenen Kinder hingegen meist bereits im Säuglings- oder Kleinkindalter», so die Fachärztin.

Die Blasenbildung beginnt je nach Unterform bei oder direkt nach der Geburt - bei den milderen Formen aber auch erst im Laufalter. Der Grund: Die Belastung an den Füßen ist dann stärker. Während bei milderen Verlaufsformen die Wunden gut abheilen, treten bei schweren Untertypen bleibende Schäden auf und führen zusätzlich zu multiplen Sekundärproblemen: Jeder Schritt schmerzt, Händeschütteln ist kaum möglich. Die Verletzungen können dazu führen, dass Finger und Zehen zusammenwachsen. Auch die Schleimhäute sind häufig betroffen: So wird etwa Zähneputzen zur Tortour, Karies und früher Zahnverlust sind die Folge. 

Schmetterlingskinder müssen zudem eine spezielle Diät einhalten, da der Körper durch die ständige Wundheilung sehr viel Energie benötigt. Zusätzlich kommt es durch die Blasenbildung zu Eiweiß-, Flüssigkeits- und Eisenmangel, der ausgeglichen werden muss. Doch essen können die Kinder nicht alles, da Schleimhäute in der Speiseröhre und Darm ebenfalls betroffen sind. Die kleinen Patienten haben häufig Schluckstörungen und Verstopfung.

Auch seelisch leiden die Kinder. So sind Betroffene sehr oft Hänseleien von Mitschülern ausgesetzt. Zudem werden sie mit der unbegründeten Angst der Mitmenschen vor Ansteckung und mit Unverständnis für ihre Situation konfrontiert. Der Umgang mit anderen fällt daher schwer. Manche Familien igeln sich zu Hause ein, haben kaum soziale Kontakte.