Rivalität im Job: Zickenterror im Büro
Von news.de-Redakteurin Fabienne Rzitki
18.05.2012 09.50
Rivalität mögen Frauen eigentlich nicht, dennoch ist sie tägliches Programm und obendrein ganz normal. Unter Menschen herrscht immer und überall Konkurrenz. Frauen betreiben sie aber anders als Männer - heimlich und subtil, statt offen und direkt. Vor allem dort, wo Ressourcen knapp sind - etwa im Job -, konkurrieren Frauen am härtesten.
Frauen, die konkurrieren, werden oft als stutenbissig bezeichnet. Wieso?
Kurt Theodor Oehler: Der Begriff ist an die Verhaltensweisen von Stuten angelegt, die um die Leitposition innerhalb der Herde kämpfen. Stutenbissig bezeichnet in der Umgangssprache das rivalisierende, eifersüchtige Verhalten zwischen Frauen - besonders im Job.
Ist Stutenbissigkeit im Job normal?
Oehler: Im Grunde genommen ja, weil alle Menschen miteinander konkurrieren. Man kann nicht nicht rivalisieren. Rivalität funktioniert über soziale Vergleichsprozesse. Frauen vergleichen sich ständig mit anderen Frauen.
Worum geht es den Rivalinnen eigentlich?
Oehler: Frauen suchen Antworten auf die «Was hat sie, was ich nicht habe?»-Frage. In erster Linie dreht sich alles um Beziehungen. Einer Frau geht es darum, besser, beliebter und schöner als die Rivalin zu sein. In der Firma wird vor allem um die Gunst des Chefs konkurriert, aber auch um Positionen.
Welche Rolle spielt dabei die Persönlichkeit einer Frau?
Oehler: Es gibt Frauen, die regelrecht Krieg führen. Je unsicherer eine Frau ist, je ich schwächer sie ist, desto stärker ist die Tendenz zur Rivalität und umso härter kämpft sie um Liebe und Anerkennung. Das ist ein kompensatorisches Bemühen. Das Rivalisieren wird dann existenzieller.
Manche Rivalitäten tauchen plötzlich auf, obwohl sich die Frauen vorher gut verstanden haben. Woran liegt das?
Oehler: Die zwischenmenschlichen Beziehungen am Arbeitsplatz intensivieren sich mit der Zeit. Dadurch werden verinnerlichte Familienschemata aktiviert. Das erlernte Verhalten einem Familienmitglied gegenüber wird abgerufen. Die Frau verhält sich beispielsweise so, wie ihrer Schwester gegenüber, mit der sie um die Gunst des Vaters konkurriert hat. Diese Übertragung wird oft durch banale Äußerlichkeiten ausgelöst: Die Kollegin erinnert sie an das Familienmitglied - durch das, wie sie etwas sagt, wie sie lacht oder wie sie aussieht. Psychisch gesehen befindet sich diese Person plötzlich in der Familie und nicht mehr am Arbeitsplatz. Das passiert gänzlich unbewusst. Je enger die Arbeitsbeziehung ist, desto stärker kommen diese Schemata zum Vorschein.
Wie tragen Frauen untereinander ihren Zickenkrieg aus?
Oehler: Frauen gehen sehr subtil vor. Sie führen Krieg hinter den Kulissen: Frauen betreiben Rufschädigung, strafen mit Ignoranz und verdrehen hinter dem Rücken der Gegnerin die Augen. Häufig kommt es auch zu Seilschaften mit anderen Kolleginnen, um die Gegnerin ins Aus zu katapultieren. In der direkten Begegnung sind sie aber nett, lächeln sich sogar an.
Kann die Rivalität auch offensiver ausgetragen werden?
Oehler: Ja. Das offensichtliche Schneiden der Anderen gehört dazu. Die vermeintliche Gegnerin offensichtlich wie Luft zu behandeln, ist Mobbing. Mobbing ist eine Art des destruktiven Rivalisierens.
Merkt eine Frau, dass sie selbst stutenbissig ist?
Oehler: Eigentlich nicht, weil ihr Blick getrübt ist. Sie nimmt das gar nicht richtig wahr. Das liegt zum einen an der subjektiven Wahrnehmung. Zum anderen genießt die Rivalität in der Gesellschaft einen schlechten Ruf und wird totgeschwiegen. Wer rivalisiert, hat automatisch einen schlechten Charakter. Solche Menschen gelten als unsolidarisch, egoistisch und unkooperativ. Und keiner will einen schlechten Charakterzug haben.
Werten Frauen eine Niederlage gegen eine Frau anders als gegen einen Mann?
Oehler: Ja. Das liegt am gesellschaftlichen Status - vor allem in der Arbeit. Männer sitzen eher in leitenden Positionen oder verdienen bei gleicher Leistung mehr Geld. Verliert die Frau gegen einen Mann, kann sie das auf sein Geschlecht schieben. Gegen eine Frau zu verlieren, ist schwieriger auszuhalten. Sie nimmt es persönlich, weil beide auf einer gleichen Ebene stehen.
Ist das Sich-Angiften per se schlecht?
Oehler: Grundsätzlich ja, das steckt schon im Begriff. Dieses Rivalisieren ist destruktiv. Das Ergebnis ist, dass sich die Beziehung verschlechtert, der Kontakt sogar abbricht. Zickenterror kann krank machen. Das kann bis zum Selbstmord gehen.
Kann Rivalität unter Frauen auch positiv sein?
Oehler: Ja. Rivalität gehört zur Kernkompetenz des menschlichen Sozialverhaltens. Man muss konkurrieren können, anderenfalls geht man in der Gesellschaft unter. Zudem kann die Rivalität zu besonderen Leistungen antreiben. Im Beruf kann der Wettkampf darin bestehen, eine bessere Position im Unternehmen zu bekommen.
Wie kann Frau sich der Rivalin souverän stellen?
Oehler: Der erste Schritt ist sich einzugestehen, dass man Teil dieses Prozesses ist, dass man selber rivalisiert. Im nächsten Schritt müssen die Frauen miteinander reden. Wer dagegen versucht, der Rivalität gelassen zu begegnen und meint, es nicht an sich heranzulassen, lügt sich selbst in die Tasche. Das ist die Strategie des Vermeidens und Verdrängens. Am Ende leidet die Seele trotzdem und das wirkt sich auf den Körper in Form von psychosomatischen Reaktionen aus. So kann beispielsweise der Blutdruck steigen oder die Widerstandskraft sinken.
Miteinander zu reden, klingt einfach. Ist es das in der Realität denn auch?
Oehler: Nicht immer, weil man damit rechnen muss, dass die Konkurrentin alles abstreitet. Ist das direkte Gespräch gescheitert, sollte man einen Kollegen oder den Chef hinzuziehen - einen Vermittler also. Hilft auch das nicht, muss ein externer Experte, ein Supervisor oder Mediator, gesucht werden. Schlagen letztendlich alle Versuche fehl, ist es wichtig, den eigenen Blick zu schärfen und zu überlegen, ob es nicht besser wäre, den Arbeitsplatz zu kündigen, in eine andere Abteilung zu wechseln oder ob es sich wirklich lohnt, standzuhalten.
sis/som/news.de