Gesundheit

Gefühle in Wallung: Die Eifersucht zum Freund machen

Er flirtet mit einer anderen Frau, sie kämpft mit der Eifersucht. Bild: Istockphoto

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«Eifersucht ist eine Leidenschaft, die mit Eifer sucht, was Leiden schafft.» In diesem bekannten Satz steckt eine Menge Wahrheit: Etwa 80 Prozent aller Männer und Frauen geben laut einer Umfrage des Wickert Instituts zu, eifersüchtig zu sein, 30 Prozent sogar extrem eifersüchtig. Kaum jemand kann sich gegen dieses Gefühl, wenn es ihn einmal erfasst hat, erfolgreich wehren. Und der Partner, der sich zu unrecht verdächtigt fühlt, ist nicht selten hilflos.

«Oberflächlich betrachtet erscheint uns Eifersucht als ein Gefühl, das äußere Ereignisse und andere Menschen in uns auslösen können», sagt der Mannheimer Psychologe und Psychotherapeut Dr. Rolf Merkle. «Weil der andere das oder jenes tut, müssen wir mit Eifersucht reagieren. Tatsächlich ist es aber so, dass wir unsere Eifersucht selbst auslösen», erklärt Merkle.

Hinter der Eifersucht verbergen sich laut dem Experten große Selbstzweifel, Besitzdenken und die Einstellung, unbedingt die Liebe, Bestätigung und Aufmerksamkeit des Partners zu brauchen. Betroffene seien sich ihrer selbst nicht sicher und lebten deshalb in ständiger Angst, für ihren Partner nicht gut genug, attraktiv oder liebenswert zu sein.

Diese Angst verleite die Betroffenen zu Zwangsverhören, Vorwürfen und Schnüffeleien. «Manchmal gehen Betroffene sogar so weit, die Wäsche zu kontrollieren, dem Partner hinterherzufahren oder mit Kontrollanrufen zu bombardieren», berichtet Merkle, der einen Ratgeber zum Thema geschrieben hat (Eifersucht - woher sie kommt und wie wir sie überwinden können, Palverlag).

Wer ist anfällig für Eifersucht?

«Menschen, die an sich selbst glauben, sich ihrer Stärken und Schwächen bewusst sind und sich annehmen, sind weniger empfänglich für Eifersucht», sagt Merkle. Sie hätten in ihrer Kindheit gelernt, sich von der Meinung anderer weniger abhängig zu machen und ihren Wert nicht danach zu bemessen, wie beliebt sie bei anderen sind. Sie hätten gelernt, selbst für ihre Zufriedenheit zu sorgen. Stark eifersüchtige Menschen hingegen, die unter krankhafter Eifersucht leiden, bräuchten die Bestätigung durch andere ebenso stark wie ein Verdurstender Wasser.

Wir können gar nicht anders als eifersüchtig zu sein, sagt dagegen Ulrich Clement. Denn die Eifersucht sei «tief im menschlichen Verhaltensprogramm verwurzelt». Ebenso wie die Untreue. «Es sieht so aus, als hätte die Natur uns zwei gegensätzliche Impulse eingepflanzt und überließe uns nun die Aufgabe, diesen Widerspruch zu lösen. Auf der einen Seite die Sehnsucht nach etwas Neuem, nach Ungebundenheit, auf der anderen Seite die Eifersucht und der Wunsch, den Partner festzuhalten», so der Heidelberger Paar- und Sexualtherapeut.

Clement sagt, Männer und Frauen seien aus unterschiedlichen Gründen eifersüchtig. Männer müssten darauf achten, dass sie Zeit, Energie und Fürsorge in den eigenen Nachwuchs investieren und nicht in den Nachwuchs anderer Männer. «Da die Vaterschaft aber nie ganz sicher ist, müssen sie einerseits eifersüchtig darüber wachen, dass die Partnerin nicht das Erbgut, also den Samen anderer Männer aufnimmt. Andererseits lohnt es sich für sie, ihre Gene zu platzieren, wo immer es möglich ist, sich also ihrerseits polygam zu verhalten», sagt Clement. Das erkläre auch, warum Männer sowohl eifersüchtig als auch polygam sind. Und es erkläre, warum für Männer die sexuelle Untreue bedrohlicher ist als die emotionale Untreue.

Warum Frauen anders eifersüchtig sind

Frauen seien sich dagegen der Mutterschaft immer sicher. Da für sie eine sexuelle Begegnung aber wegen einer potenziellen Schwangerschaft ein höheres Risiko hat, müssten sie frühzeitig die potenziellen Sexualpartner und Väter prüfen, ob sie bindungs- und investitionswillig sind, also auch darauf achten, dass der gezeugte Nachwuchs geschützt und gepflegt wird. «Für Frauen ist die emotionale Untreue gefährlicher», erklärt Clement, «weil sie dann annehmen, dass ein anderweitig verliebter Mann weniger investiert oder sie und den Nachwuchs verlässt.»

Clement hat einen weiteren Geschlechtsunterschied festgestellt:Frauen wenden den Trick der provozierten Eifersucht eher an als Männer. Meist sind das Frauen, die in einer Beziehung die schwächere Position - also die des mehr liebenden Partners - einnehmen. «Sie sehen mehr Anlass, die Zuwendung des Partners zu prüfen und sich zu vergewissern, ob er sich noch um sie bemüht. Zum Beispiel dadurch, dass sie vor seinen Augen mit einem anderen Mann flirten», erläutert der Therapeut.

Männer dagegen, die sich in einer Beziehung in der schwächeren Position sehen, neigen mehr zu Unterwürfigkeit und Selbsterniedrigung und sagen, sie würden alles tun, um die Partnerin zu halten. Allerdings nicht immer nur durch vermehrte Geschenke, sondern oftmals auch durch «emotionale Manipulation» (ihr Schuldgefühle machen) oder offene Gewalt gegen die Partnerin oder den Konkurrenten.

Wann ist Eifersucht krankhaft?

«Wenn es so weit geht, dass der Eifersüchtige den Partner komplett in Anspruch nehmen will und eine bedingungslose Exklusivität fordert, ist das normale Maß überschritten», sagt Merkle. Wenn der Partner des eifersüchtigen Menschen unzufrieden und unglücklich ist und wenn der Eifersüchtige merkt, dass er gegenüber seinen Partner mehr feindselige als liebevolle Gefühle hat, dann sei es an der Zeit, etwas zu unternehmen und professionelle Hilfe zu suchen.

Dabei sei es wichtig, sich klarzumachen, dass man sich selbst durch seine Gedanken eifersüchtig macht. «Der Partner löst keine Eifersucht aus, es sind die eigenen misstrauischen und ängstlichen Gedanken, die dafür verantwortlich sind», sagt Merkle. Der zweite Schritt bestehe darin, sein Selbstwertgefühl zu stärken: sich selbst anzunehmen und sich seiner Vorzüge und positiven Seiten bewusst zu werden. «Solange ich mich nicht für liebenswert halte, werde ich immer an der Liebe eines anderen zweifeln und folglich Angst haben, ihn zu verlieren», so der Therapeut.

Der dritte Schritt bestehe darin, unabhängiger und selbstständiger zu werden: alleine ausgehen, sich mit Freunden ohne den Partner treffen, eigenen Hobbys nachgehen und Tätigkeiten finden, die einen befriedigen und einem Bestätigung geben.

Clement schlägt in seinem Ratgeber Wenn Liebe fremdgeht (Marion von Schröder-Verlag) vor, die Eifersucht zum Freund zu machen. Sie sei ein Frühwarnsystem, das einem gute Dienste leisten könne im Beziehungsdschungel lauernder Affären, die meist mit einem scheinbar harmlosen Flirt beginnen. Um aber die Eifersucht nicht zum «inneren und damit schnell auch zum äußeren Terroristen» werden zu lassen, müsse man sie pflegen und zivilisieren. 

kat/reu/news.de