Männer über 50: «Das Alter ist die größte Kränkung»
Von news.de-Redakteurin Claudia Arthen
13.09.2013 17.50
Ob er es wieder tut? Die Frage stellt sich so mancher Fernsehzuschauer, wenn Anfang Oktober die Sommerpause der ZDF-Show Wetten dass…? beendet ist, und Thomas Gottschalk wieder Wettkandidaten und prominente Wettpaten präsentiert.
Die Hände des Moderators (58), der inzwischen für seine Grabbelei berühmt-berüchtigt ist, scheinen sich in weiblicher Gesellschaft und im Rampenlicht zu verselbstständigen. Egal, ob nun Salma Hayek, Paris Hilton oder Cate Blanchett neben ihm auf der Wettcouch sitzen: Der Moderator sucht den Körperkontakt und überzeugt sich gern selbst vom ordnungsgemäßen Sitz des Mikrofons oder Rocksaums.
Und diesmal dürfte es besonders heiß werden, moderiert doch Gottschalk erstmals gemeinsam mit seinem «Lieblingsbusen». Pardon, mit Michelle Hunziker (32), deren Dekolleté der Entertainer in der Mallorca-Ausgabe der Show ausgiebig begutachten durfte.
Aller Neuanfang ist schwer
Steigt Gottschalk seine Popularität zu Kopf – oder sind Männer über 50 einfach so peinlich? Wobei der blonde Sunnyboy es beim Schauen und Grabbeln belässt und seiner Jugendliebe Thea, mit der er seit 1976 verheiratet ist, nach wie vor die Treue hält. Anders Ron Wood. Der Stones-Gitarrist hat seine Frau Jo nach 31 Jahren Ehe sitzen lassen, um noch einmal neu anzufangen: mit der 20 Jahre alten russischen Kellnerin Ekaterina Ivanova. Aber in dieser Beziehung soll es jetzt auch kriseln.
Und dann wäre da noch Popsänger Tom Jones (68), der dem Fitnesswahn verfallen ist und dessen ausdrucksloser Gesichtsausdruck damit zusammenhängen könnte, dass er bereits geschätzte 20 Schönheits-OPs hinter sich hat.
«Männer jenseits der 50 sind eine besondere Spezies», hat Jürgen Drews einmal gesagt. Der Schlagersänger ist selbst ein Beispiel für diese Spezies, will aller Welt zeigen, wie fit und attraktiv er ist – am liebsten beim Nacktbaden mit Ehefrau Ramona (35) im RTL-Dschungelcamp. Liegt es am eigenen Gehör oder am Publikum, dass der Applaus immer dünner wird?
Auch Männer färben sich die Haare
«Für Männer über 50 ist das Alter selbst die größte Kränkung», formuliert es Diplompsychologe Rolf Kirchmair vom Institut für Senior Research in Frankfurt. Männer wollen lange leben, älter werden wollen sie dabei nicht. «Bevor der endgültige Rentenbescheid kommt, kommt erst einmal männlicher Jugendwahn auf», sagt Kirchmair. Und der unterscheide sich nicht von dem der Frauen: Auch Männer färben sich ihre grauen Strähnen blond.
Einer, der es wenigstens zugegeben hat, ist Thomas Gottschalk. Von «Polyschaum 85» sprach er einmal, als sein ebenfalls Ãœ50-Kollege Günther Jauch ihn fragte, wie er das denn mache, keine grauen Haare zu bekommen. Andere Männer ziehen in der Öffentlichkeit den Bauch ein, oder sie legen sich, wenn gar nichts mehr hilft, sogar unters Messer. Bei jedem sechsten Eingriff liegt heute ein Mann auf dem OP-Tisch.
Bestes Beispiel: der US-Schauspieler Mickey Rourke. Um im Film The Wrestler auch auszusehen wie ein Muskelpaket, soll der 57-Jährige muskelfördernde Steroide genommen haben. Rourke aß siebenmal täglich und trainierte mit einem Käfigkämpfer. Am Ende gab ihm der Erfolg sogar recht: Für seine Rolle bekam er viel Applaus von Publikum und Kritik sowie einen Golden Globe als bester Darsteller in einem Drama. Vor lauter Geliftet-sein konnte er bei der Gala kaum lächeln, 15 Jahre hatte er auf ein Rollenangebot gewartet.
Wenn seine Libido nachlässt
Junge Geliebte, teurer Sportwagen – die Midlife Crisis des Mannes ist hormonell bedingt. Und dafür hat die Medizin auch einen Namen: Andropause oder Klimakterium virile. «Ja, es gibt sie wirklich, die Wechseljahre des Mannes», bestätigt Professor Frank Sommer, Leitender Arzt der Abteilung Männermedizin der Uniklinik Hamburg-Eppendorf. «Sie treten auf, wenn das klassische Männerhormon Testosteron im Blut ab Mitte 40 allmählich absinkt.» Ähnlich wie bei Frauen kommt es zu Hitzewallungen, Haarausfall, Depressionen oder Schlafstörungen. Libido und Potenz lassen nach.
Aber Sommer weiß Trost: «Ein Testosteronersatz als Tablette oder Gel kann die Beschwerden in vielen Fällen wirksam lindern. Und nach einer gewissen Zeit fühlt sich Mann wieder fitter, besser und gesünder.» Nun ist dies laut Sommer kein neues Phänomen. «Männer verdrängen diese Symptome nicht mehr so wie früher», erklärt der Männerexperte. Heutzutage durchlebten sie die Zeit des Wechsels vielmehr bewusster.
Eine Erfindung der Pharmaindustrie
Dr. Hans-Georg Hofer ist anderer Meinung. Für den Medizinhistoriker der Universität Bonn sind die männlichen Wechseljahre nichts weiter als eine Erfindung der Pharmaindustrie, die blendende Geschäfte verspricht. «Die Pharmabranche verkauft die Hormontherapie als eine Art Jungbrunnen, mit dem Mann die Zeit einfach zurückdrehen kann», moniert Hofer. Viagra habe gezeigt, wie viel Geld sich mit der Zielgruppe der alternden Männer verdienen lässt. Vertriebswege wie das Internet hätten zudem völlig neue Möglichkeiten geschaffen, diese Zielgruppe auch zu erreichen.
Was Hofer an der Diskussion über die männlichen Wechseljahre außerdem kritisiert, ist die Unvereinbarkeit der Positionen und die Reduktion des alternden Mannes auf seinen sinkenden Testosteronspiegel. «Viele Männer zwischen 45 und 60 haben ganz reale Beschwerden, und manchen kann vielleicht auch durch Hormongaben geholfen werden», sagt Hofer. «Andere wiederum fühlen sich trotz niedriger Hormonwerte pudelwohl in ihrer Haut.» Die Idee, alles auf Hormone zurückzuführen, sei viel zu mechanisch. Als monokausale Erklärung für Altersbeschwerden beim Mann tauge sie nicht.
Dabei haben Männer über 50 Panik gar nicht nötig. Graue Haare machen interessant, siehe Harrison Ford (67). Und erzählt nicht jede Falte von den Erfahrungen eines Lebens? Die schätzen Frauen wie Fords Freundin Calista Flockhart (45) anscheinend mehr als volles Haar. Auch wenn sie deshalb nicht gleich applaudieren.
seh/news.de