Schwangerschaftsmythen: Spitzer Bauch und Tortenheißhunger
Von news.de-Redakteurin Katharina Peter
20.06.2018 16.18
Viele Menschen glauben bis heute an Zeichen, die auf das Geschlecht des Kindes hinweisen. «Das lässt sich auch im 21. Jahrhundert nicht abschütteln», sagt Doris Scharrel, stellvertretende Vorsitzendes des Berufsverbandes der Frauenärzte (Bvf) in Schleswig-Holstein. «Dabei gibt es keinerlei medizinische Beweise.»
Auch am Heißhunger und den verschiedenen Gelüsten kann man nicht ableiten, ob das Kinderzimmer eher rosa oder blau gestrichen werden sollte. Wird doch immer wieder gerne behauptet, dass bei Heißhunger auf überwiegend süße Dinge wie Torte, Eis oder Schokolade sich ein Mädchen ankündigt. Bei sauren Gurken und Spargel handle es sich angeblich um einen Jungen.
«Mir wird auch immer wieder erzählt, dass bei starkem Sodbrennen während der Schwangerschaft das Baby mit besonders vielen Haaren zur Welt kommt», erzählt Scharrel amüsiert. Bestätigen kann sie das aber ganz und gar nicht. Trotz Sodbrennen bei den Müttern würde sie immer wieder völlig glatzköpfige Kinder auf die Welt holen.
Einen besonders absurden Mythos habe sie in Bayern gehört, sagt die Gynäkologin. Demnach bestimme die erste Person, die man beim Kirchgang trifft, das Geschlecht des Nachwuchses. Ist der erste Mensch, den man im Gotteshaus sieht, ein Mann, dann ist der Nachkomme ebenfalls männlich. «Aber bei welchem Kirchgang dies passieren soll, bleibt mir völlig schleierhaft», so Scharrel.
Auch habe sie immer wieder mit der Vorstellung zu kämpfen, dass Mädchen sich mit ihrer Geburt Zeit ließen. «Es heißt, die junge Dame würde sich noch rausputzen», sagt Scharrel. Die Bauchform gebe übrigens auch keinen Hinweis auf das Geschlecht, sondern basiere darauf, wie die Frau die Schwangerschaft trägt, sagt die Expertin. «Das hängt von Breite und Form des Beckens ab.»
An der Vorstellung, dass ein Schreckensmoment während der Schwangerschaft ein schreckhaftes Kind hervorbringt, sei aber durchaus etwas dran. Allerdings reiche ein kurzer Moment der Angst nicht aus, um das Baby derart zu prägen. «Wenn sich schwangere Frauen aber permanent Sorgen machen und viel Angst haben, dann überträgt sich das auch auf das Kind», erklärt Scharrel. Jedoch sei das zum Teil auch eine Folge der weiteren Sozialisierung. Schließlich könnten die Mütter auch nach der Geburt ihr ängstliches Wesen meist nicht einfach abstreifen.
Eine ältere Frau habe Scharrel einmal erzählt, dass es ganz logisch wäre, dass sie zwar vier Mädchen, aber keinen Jungen zur Welt gebracht hat. Sie habe ja nur noch den linken Eierstock, erklärte sie. Die Eizellen, aus denen Jungen entstehen, würden aber aus dem rechten Eierstock stammen. «Ich konnte ihr nicht vermitteln, dass sich das Geschlecht erst bei der Zellteilung definiert», erinnert sich Scharrel kopfschüttelnd.
Hinter dem Mythos, dass Mädchen ihrer Mutter die Schönheit rauben und Jungen ihr sie geben, stecke dann aber doch ein medizinischer Hintergrund, räumt die Frauenärztin ein. «Aber es ist genau umgekehrt.» Denn ab der 22. Schwangerschaftswoche produzieren die Hoden des Kindes das männliche Sexualhormon Testosteron. Und das kann dafür sorgen, dass die Mutter stumpfe Haare und pickelige Haut bekommt. Aber, so tröstet Scharrel die geplagten Mütter: «Wer einen Jungen austrägt, der ist während der Schwangerschaft um einiges fitter.» Ansonsten sei das Geschlecht tatsächlich nur durch eine Untersuchtung beim Frauenarzt festzustellen.
tno