Beziehungsstress: Wenn Partner sich mobben
Von Maria Hilt
18.05.2012 09.50
«Dauerstreit wegen Kleinigkeiten und pausenlose Nörgeleien zwischen Partnern sind meistens ein deutliches Zeichen dafür, dass hier jemand grundlegend unzufrieden ist», sagt Mädy Verwied, Paarberaterin aus Berlin. Zwar hielten sich die Partner ständig gegenseitig vor, der andere mache etwas falsch und solle seine Verhalten ändern. Die eigentlichen Bedürfnisse, die hinter den Zankereien über Belanglosigkeiten stecken, könnten die Betroffenen aber oft nicht aussprechen.
«In manchen Partnerschaften kommt es im Zuge dieser Entwicklung zu massiven Vorwürfen und sogar zu Drohungen, die dem Mobbing in der Arbeitswelt ähneln», sagt Franz Thurmaier, Psychologe und Eheberater aus München. Dabei seien die Betroffenen oft eigentlich nicht als unfreundliche, dominante Personen bekannt. «Man könnte sagen: Es passiert ihnen einfach», sagt Thurmaier. Die Partner gerieten schnell in ein Verhaltensmuster hinein und seien irgendwann davon überzeugt, sie müssten miteinander so umgehen, um verstanden zu werden. So entwickle sich ein zermürbendes Machtspiel, in dem beide Partner gleichermaßen unter dem Verhalten des anderen litten. «Nach einiger Zeit erleben sie sich nur noch in einer Gegner-Opfer-Konstellation - und das ist tödlich für eine Beziehung», warnt Thurmaier.
Der Paarkommunikationstrainer, der in München das Institut für Forschung und Ausbildung in Kommunikationstherapie leitet, hat jedoch auch gute Nachrichten für betroffene Paare: «In vielen Beziehungen ist dieser Mechanismus umkehrbar und das Liebesgefühl, das durch den angestauten Frust oft nur verschüttet ist, kann neu entdeckt werden.» Erkenne zumindest einer der Partner die schädliche Dynamik rechtzeitig, könne er auf sie einwirken. «Man kann zwar den Partner nicht verändern - aber wenn man sich selbst ändert, dann wirkt sich das auch auf das Zusammenspiel in der Partnerschaft aus», macht Thurmaier Mut.
Ein wichtiger Schritt auf dem Weg aus der Nörgelfalle ist, die eigenen Bedürfnisse zu erkennen und auszusprechen. «Manche Menschen wissen im Grunde gar nicht, was sie sich eigentlich wünschen», sagt Mädy Verwied. Sie rät Betroffenen daher, ihren tiefen Bedürfnissen auf die Spur zu kommen. «Oft geben die Kleinigkeiten, über die man sich ärgert, einen Hinweis darauf», sagt die Diplom-Pädagogin.
Gut sei es, wenn man lerne, Ich-Sätze zu bilden. Anstatt seinem Partner vorzuhalten: «Nie hast du Zeit für mich!» könnte man ihm beispielsweise so entgegentreten: «Ich brauche gerade deine Nähe, weil ich einige Gedanken mit dir besprechen möchte. Ich würde mich sehr freuen, wenn du dir Zeit für mich nehmen würdest.» «Manchmal steckt aber beispielsweise hinter dem Vorwurf, der Partner habe nie Zeit, auch eigentlich das Bedürfnis, selbst mehr Zeit mit anderen Menschen zu verbringen», sagt Verwied.
Dann sollte das Paar versuchen, wieder miteinander ins Gespräch zu kommen. «Der Ansatzpunkt muss sein, die Kommunikation der Partner untereinander zu verändern», sagt Thurmaier. Habe man seine Bedürfnisse erkannt, könne man dem Partner in einem ruhigen Gespräch erklären, was einen eigentlich stört und was man sich wünscht. Der andere habe nun die Gelegenheit, hinter seinem zänkischen und aufbrausenden «Alltagsgegner» einen Menschen mit Bedürfnissen zu erkennen. Manchen Paaren helfe es auch, ihre Kommunikationsmethoden in einem Kommunikationskurs oder in einer Paartherapie zu überprüfen und zu schulen.
«Viele Leute haben die Vorstellung, dass ein Problem in einer Partnerschaft immer gelöst werden muss», sagt Thurmaier. Seine Erfahrung zeige hingegen, dass viele Probleme in einer Paarbeziehung niemals gelöst werden könnten. «Man kann für diese Konflikte nur Kompromisse finden und versuchen, das Erleben des Konflikts zu ändern», sagt der Psychologe. Doch wenn die Partner es schafften, ins Gespräch zu kommen und offen zueinander zu sein, sei schon viel gewonnen. Denn dann sei es möglich, wieder einen positiven Blickwinkel auf den anderen zu bekommen.
Um die Sichtweise aufeinander zu verändern, rät Thurmaier betroffenen Paaren beispielsweise, eine Liste mit Vorteilen des jeweiligen Partners zu verfassen. «Darauf sollte man detailliert notieren, was einem am anderen gut tut und was man an ihm liebenswert findet.» Als nächstes könne man sich überlegen, was man selbst tun könnte, um dem anderen eine Freude zu machen. Oft seien das Dinge mit Wiedererkennungswert, die die Partner früher füreinander gemacht hätten, wie beispielsweise ein Frühstück ans Bett zu bringen. «Es ist anrührend zu sehen, wie sich Paare nach diesen Übungen plötzlich wieder ganz anders begegnen können», berichtet Thurmaier von seiner Erfahrung aus den Paarkommunikationskursen.
car/ruk