Bratwürste, Berge und Buchenwald: Wer Thüringen nicht nur von dieser Seite erleben möchte, sollte das Land mit dem Rad bereisen. News.de räumt auf mit den Vorurteilen aus dem Land der Denker und Lenker.
Gibt es in Thüringen nur Bratwürste?
Fast. Radfahrer können während ihrer Reise nicht nur besonders viel sehen, sondern auch gut riechen. In Thüringen schnüffelt es bereits ab acht Uhr morgens nach Bratwürsten. Das frühe Aufstehen lohnt sich. Irgendwo steht immer ein Rost bereit und eine Wurst ist fertig. Besonders am Rennsteig haben es sich die Bräter eingerichtet. Gefühlt alle fünf Kilometer gibt es Thüringer Bratwurst. Doch nicht nur das. Deftiges Rostbrätl und Thüringer Klöße erweitern das Angebot. Dazu ein Radler - und der nächste Berg kann kommen. Tipp: Bratwurststand an der Hohen Sonne
Stimmt es, dass Thüringen niemand kennt?
Nö. Das Göbel´s SophienHotel in Eisenach ist ausgebucht. Zum Sonntagsfrühstück findet sich kaum noch ein Platz. Kein Wunder, einen Tag zuvor war der berühmte Rennsteiglauf. Mehr als 14.000 Läufer kamen und rannten bis zu 72,2 Kilometer auf dem Höhenwanderweg. Mit ihren Familien zusammen verbringen die meisten das ganze Wochenende in Thüringen - und sie kommen wieder. Im vergangenen Jahr haben in Thüringen 3,5 Millionen Menschen ihren Urlaub verbracht - allerdings nicht alle als Radler oder Läufer. 250.000 Touristen kamen sogar aus dem Ausland nach Thüringen. Tipp: die Wartburg bei Eisenach
Ist Thüringen das Grüne Herz Deutschlands?
Ja, eindeutig. Aber: Seit wann sind Herzen grün? Das fragt sich zumindest der Komiker Reinald Grebe in seinem Thüringen-Lied. Und er kennt auch eine Antwort: Thüringen ist grün vor Neid und Hoffnungslosigkeit. Zum Glück ist das nur Ironie. Der Thüringer Wald ist nämlich grüner als grün, falls es so etwas gibt. Wer Natur sucht, ist genau richtig. In Thüringen ist es möglich, stundenlang mit dem Rad unterwegs zu sein, ohne auf eine Betonplatte zu stoßen. Städte und Dörfer sind nämlich nur am Rande des Rennsteigs zu finden. Tipp: der Rennsteig
Reden Thüringer nicht mit Fremden?
Im Gegenteil. Wer fragt, bekommt auch eine Antwort. Wenn auch manchmal eine komische. Ein Beispiel: Wer im Örtchen Drognitz in einem kleinen Spar-Markt einen Kaffee haben möchte, muss Glück haben. Radfahrer: «Können Sie uns einen Kaffee machen?» Verkäuferin: «Kaffe haben wir heute nicht. Der Chef ist nicht da.» Radfahrer: «Ach, Kaffe gibt es nur, wenn der Chef da ist?» Verkäuferin: « Ja, wenn der Chef nicht da ist, läuft's nicht so gut.» Jedoch sind Thüringer immer zuvor- und entgegenkommend. Es kann passieren, dass sie zum Beispiel an Durchreisende saftige Äpfel verschenken. Hoteliers erzählen auch schon mal am Telefon, dass sie gerade die Tür nicht öffnen können, da sie unter der Dusche stehen. Tipp: Hotel Schwarzer Bär in Jena
Ist Dieter Althaus der einzige Prominente?
Kann sein. Und nicht einmal der ist aufzufinden. Dafür Menschen, die es anderswo kaum noch gibt. Zum Beispiel Schäfer. Einer steht auf einer Wiese bei Fridrichshöhe. Um ihn wedeln seine beiden Hunde, hinter ihm grasen 2000 pelzige Tiere. Der Schäfer hat sich nach 1989 selbständig gemacht - doch das schon mehrfach bereut. Von den Tieren selbst kann er nicht leben, sondern von EU-Subventionen, die zwei Drittel seiner Einnahmen ausmachen. Außerdem wuchern die Wiesen immer mehr mit Bäumen und Büschen zu, die Fläche, der er zu betreuen hat, wird kleiner. Das kostet ihm Einnahmen. Die sechs schwarzen Schafen in seiner Herde stört das wenig, sie blöken und rennen weiter. Tipp: der Thüringer Wald
Welchen Stellenwert hat Buchenwald?
Einen großen. Tausende Menschen besuchen jährlich das Konzentrationslager bei Weimar. Doch nicht nur das. Bei Nordhausen befindet sich das KZ Mittelbau Dora. Gegen Ende des Krieges ließen die Hitler-Schergen dort in einem Steinbruch die Vernichtungswaffe V2 herstellen. Die Produktion wurde von der Insel Usedam nach Thüringen verlegt, um sie vor Angriffen der Alliierten zu schützen. Im neuen Ausstellungsraum wird das Leid der Häftlinge gezeigt, draußen lassen die Reste der Unterkünfte und Todeszellen das massenhafte Leid erahnen. Der Ort ist idyllisch gelegen, ein größerer Kontrast ist kaum vorstellbar. Tipp: KZ Mittelbau Dora
Trinken alle den Nordhäuser Doppelkorn?
Bestimmt. Jedenfalls wenn es nach dem Willen der Nordhäuser geht. In der Traditionsbrauerei frührt ein älterer Herr fröhlich die Besuchergruppen. Er zeigt die alten Industriegebäude, in denen heute noch manchmal Schnaps gebrannt wird. Die große Fabrikhalle steht allerdings vor den Toren der Stadt. So war es schon im 18. Jahrhundert, nachdem die mehr als 100 Brennereien nach einem Brand aus der Innenstadt an den Rand verlagert wurden. Die Besucher kommen vor allem wegen der Verkostung ins historische Gemäuer - und nach einem guten Schluck Ingerschnaps kann die Radreise noch besser weiter gehen. Tipp: Traditionsbrennerei Nordhäuser Doppelkorn
Trällern Touristen das Rennsteiglied?
Leider nein. Aber die meisten kennen es - und Radfahrer lernen es kennen. Als 1951 das Rennsteiglied in Hirschbach im damaligen Gemeindesaal zum ersten Mal gesungen wurde, ahnte wohl noch niemand, dass es zu einem bekannten Gassenhauer und Volkslied werden sollte. Die Musik stammt vom bereits verstorbenen Herbert Roth. Ein Denkmal nahe des Radwanderweges am Rennsteig an der Schmücke erinnert an ihn. Der Text stammt übrigens von Karl Müller. «Wir wandern ja so gerne am Rennsteig durch das Land...» Tipp: die Herbert-Roth-Ausstellung
Gibt es in Thüringen nur Wintersport?
Ein entschiedenes Nein. Der Beweis sind ja schon die zahlreichen Wanderer und Radfahrer. Allerdings kann in Thüringen das ganze Jahr über Wintersport betrieben werden. Im Wald bei Oberhof, am Grenzadler, steht das Biathlonstadion in dem Weltcup und auch schon Weltmeisterschaften ausgerichtet wurden. Im Sommer ist es etwas verwaist, allerdings gibt es in Oberhof eine Skihalle der besonderen Art. Sie hat das ganze Jahr geöffnet, abgesehen von wenigen Wochen Inventur und ist besonders für Skilangläufer geeignet. Die Halle zieht sich wie eine große Schlaufe durch den Wald. Ski heil. Tipp: Skihalle in Oberhof
Thüringer Wald, und sonst nichts?
Könnte man meinen. Besonders im Thüringer Wald scheint es wirklich nicht mehr zu geben, als den Thüringer Wald. Auf die Frage, was es im Ort alles noch Interessantes gibt, rollt eine Kellnerin in Nauhaus am Rennweg nur mit den Augen und verzieht ihren Mund. Doch das ist auch gut so. In Thüringen ist es möglich, sich im Urlaub auf das Wesentliche zu konzentrieren. Radfahren, Landschaft angucken, essen, schlafen, Ruhe genießen. Thüringen ist wie eine andere Welt, besonders abseits der etwas größeren Städte wie Jena, Erfurt und Eisenach. Tipp: Innenstadt von Jena
Essen Thüringer wirklich Hunde?
Hoffentlich nicht. Auch wenn es Reinald Grebe in seinem Thüringen-Lied behauptet. Doch es ist anders. Im Hotel Schieferhof in Nauhaus am Rennweg gibt es beim sehr ausgewogenen Frühstück zum Beispiel sieben Sorten Honig. Nur ein Beispiel von zahlreichen Leckereien im grünen Herzen Deutschlands. Tipp: Hotel Schieferhof in Neuhaus
jek/news.de