Hybristophilie: Wenn Frauen Serienmörder lieben

Die erotische Anziehungskraft des Bösen ist gewaltig. Brutale Serienmörder erhalten bergeweise Liebesbriefe von weiblichen Verehrerinnen. Immer wieder werden Ehen hinter Gitter geschlossen, auch Babys sind keine Seltenheit. Was macht Killer so anziehend?

Von news.de-Redakteur Jan Grundmann - Uhr

Anders Behring Breivik hat nach seiner Verurteilung zu 21 Jahren Haft nun viel Zeit, alle Briefe, die er erhält, ausführlich zu lesen und zu beantworten. Der norwegische Massenmörder bekommt viel Post - und ein Großteil ist freundlich. Sehr freundlich, wie ein psychiatrischer Gutachter im Breivik-Prozess berichtete. Der Mann, der 77 Menschen tötete, erhalte gerade in jüngster Zeit viele Liebesgeständnisse. Auch Heiratsanträge seien darunter. «Er versucht, auf alle Schreiben zu antworten», sagte der Gutachter.

Ein Massenmörder mit Sex-Appeal? Das Phänomen bei Breivik ist nicht neu, aber bisher nur rudimentär erforscht: Hybristophilie nennen es Psychologen, wenn Menschen von Schwerverbrechern oder Mördern erotisch angezogen werden. Untersucht hat es die Journalistin Sheila Isenberg. Sie sagt, dass es sich dabei häufig um Frauen handele, die als Kind missbraucht oder misshandelt worden seien. Ihre These: Diese Frauen suchen sich deshalb einen Mann, den sie kontrollieren können und der sie nicht verletzen kann. Und jemand, der im Gefängnis sitzt, ist berechenbar, so Isenberg in ihrem Buch Women who love men who kill.

Die Frauen der Serienmörder
Hybristophilie
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  • Dieter Zurwehme ermordete fünf Menschen und sorgte durch seine mehrmonatige Flucht im Jahr 1989 für Aufsehen in der Bundesrepublik. In seinem Gefängnis in Bielefeld erhielte er zahlreiche Liebesbriefe, 15 Frauen verliebten sich in ihn – und eine 44-jährige Kellnerin heiratete ihn schließlich.

  • Die als «Eis-Lady» bekannte Österreicherin Estibaliz C. sitzt in Haft in Wien, weil sie ihren Ex-Mann und einen weiteren Ex-Freund umgebracht hat. Hinter Gittern hat sie nun erneut geheiratet - und mit ihrem Mann Roland R. ein Kind gezeugt. Der will das Kind so lange allein aufziehen, bis seine «Eis-Lady» aus dem Knast kommt.

  • Anders Behring Breivik, nun verurteilter norwegischer Massenmörder, bekommt viel Post ins Gefängnis. Einzelne Hassbriefe sind darunter – doch die Mehrzahl sind Liebesbekundungen und Heiratsanträge, enthüllte ein Psychiater, der ein Gutachten zur Schuldfähigkeit miterstellt hatte.

  • Ted Bundy ist der wohl bekannteste Serienmörder der USA, der mindestens 28 Frauen ermordet hat. Carole Ann Boone heiratete den Killer, nachdem sie im Prozess gegen Bundy als Zeugin aussagte. Das Paar bekam eine Tochter. Als Bundy hingerichtet wurde, reichte seine Frau die Scheidung ein und tauchte unter.

  • Oscar Ray Bolin, auch bekannt als «Bolin the Butcher», vergewaltigte und tötete in Florida im Jahr 1986 drei junge Frauen. Rosalie Martinez muss von dem Killer so fasziniert gewesen sein, dass sie ihren wohlhabenden Ehemann und die vier Kinder verließ, um sich mit dem Schlächter Bolin per Telefon-Konferenz zu vermählen. Er wartet noch immer auf seine Todesstrafe, sie versucht, dieses Urteil abzuwenden.

  • Richard Ramírez, besser bekannt als der «Night Stalker», ermordete 1985 in Kalifornien 14 Menschen und vergewaltigte mindestens elf. Er sitzt im Knast und wartet auf seine Hinrichtung. Doreen Lioy schrieb ihm ab 185 insgesamt 75 Briefe. 1988 machte sie ihm einen Heiratsantrag. Schließlich heirateten die beiden 1996 im San Quentin State Prison.

  • Dagmar Polzin stand in Hamburg an einer Bushaltstelle, als sie ein Benetton-Plakat gegen die Todesstrafe sah. Abgebildet war Bobby Lee Harris, der im US-Bundesstaat North Carolina einen Mann getötet hatte und nun auf seine Hinrichtung wartete. Die Kellnerin Polzin verliebte sich in ihn. «Da war etwas in seinen Augen», sagte sie später. Polzin zog in die USA und lebte bei der Familie des Killers.

  • Der Porno-Killer Luca Rocco Magnotta ist mittlerweile im kanadischen Gefängnis. Der Porno-Darsteller soll einen chinesischen Studenten getötet, zerstückelt und die Leichenteile per Post verschickt haben. Die Kanadierin Destiney St-Denis ist 21 Jahre jung und sagt: «Ich mag ihn. Er ist eine sehr nette Person, und er braucht unsere Unterstützung.» Deshalb hat St-Denis eine Support-Magnotta-Gruppe auf Facebook gegründet, hat mit Magnotta mehrfach telefoniert und möchte ihn so schnell wie möglich im Gefängnis besuchen.

  • Geschlechtermäßig läuft es manchmal auch andersrum: Susan Atkins war Mitglied der Gruppe um Charles Manson. Atkins machte etwa beim Mord an Sharon Tate, der Frau von Roman Polanski, mit. Sie sitzt seit 1969 im Gefängnis in Kalifornien. Ende der 1980er-Jahre heiratete sie den reichen Harvard-Absolventen James Whitehouse, der sich seither für eine Begnadigung seiner Frau einsetzt und Petition um Petition einreicht.

  • Charles Watson war ein weiteres Mitglied der Manson-Family. Auch er war am Mord an Sharon Tate beteiligt und sitzt seit 1969 im Gefängnis in Kalifornien. 1979 heiratete er Kristin Joan Svelte. Mit ihr zeugte er während der Besuchszeiten insgesamt vier Kinder.

  • Lyle Menendez ermordete im Jahr 1989 gemeinsam mit seinem Bruder Erik die gemeinsamen, wohlhabenden Eltern in Kalifornien. Im Gefängnis heiratete Lyle schließllich das ehemalige Playmate und Model Anna Eriksson. Die Blondine und der Mörder schrieben einander. Sie zog nach Los Angeles, um ihrem geliebten Killer näher zu sein, schließlich heirateten sie während einer Zeremonie per Telefon. Ein Jahr nach der Trauung verließ sie ihn. Der Grund: Lyle soll sie betrogen haben, indem er anderen Frauen schrieb...

  • ...deshalb heiratete der Eltern-Mörder die – ebenfalls blonde – Tammi Saccomon. Diesmal sogar im Aufenthaltsraum des Gefängnisses. Saccomon stellte sich im Jahr 2010 in einer Dokumentation vor – und erzählte über ihr Leben ohne Sex und die wöchentlichen Besuche mit ihrer zehnjährigen Tochter zum Killer Menendez.

  • Jack Unterweger aus Österreich ermordete eine junge Frau und saß 16 Jahre im Gefängnis. Sein Briefkasten aber quoll über: An einem einzigen Tag, so der zuständige Gerichtsgutachter, hatte Unterweger 42 Briefe erhalten – von einer Uni-Professorin, von einer Filmschauspielerin, auch Nacktfotos und Kontaktanzeigen waren dabei.

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    «Von Verbrechern geht auch deshalb eine Faszinationskraft aus, weil sie etwas Unbekanntes, Leerstellen für die Fantasie sind, die nun ausgeschmückt und zu Zerrbildern werden», sagt der Kriminalist und Buchautor Stephan Harbort im Interview mit der Wiener Zeitung. Er hat für ein Buch mit dem Titel Ich liebe eine Bestie Verbrecher und deren Liebhaberinnen interviewt. Harbort kommt dabei auf differenziertere Motivationen für die Liebe zu Verbrechern.

    Kind während der Besuchszeit gezeugt

    Er konnte drei Typen von Frauen ausmachen: Frauen mit Missbrauchserfahrungen gäben sich selbst die Schuld und versuchten, durch die Beziehung zu Verbrechern ihre eigene Gefühlslage besser zu verstehen. Frauen mit gestörtem Selbstwertgefühl werteten ihre eigene Persönlichkeit durch die Beziehung zu einem Verbrecher auf. Der dritte Typus, so Harbort, seien Frauen mit sehr negativen Beziehungserfahrungen. Sie wollen nun ein Verhältnis, die sie selbst kontrollieren können.

    Die Rechtsgeschichte ist voller Beispiele für Hybristophilie. Meist sind es Frauen, die sich in männliche Verbrecher verlieben. Kein Wunder, denn Kapitalverbrechen werden fast ausschließlich von Männern begangen. Eines der berühmtesten Beispiel: Ted Bundy, der wohl bekannteste Serienmörder der USA. Er soll mindestens 28 Frauen ermordet haben, manche Ermittler gehen davon aus, dass die Zahl seiner Opfer doppelt so hoch sein könnte. Als ihm der Prozess gemacht wurde, war auch Carole Ann Boone als Zeugin vorgeladen. Sie sagte aus und fühlte sich anschließend zu ihm hingezogen. Der Serienmörder heiratete sie, das Paar bekam sogar eine Tochter, die wohl während der Besuchzeit entstanden sein dürfte. Als Bundy hingerichtet wurde, reichte Boone die Scheidung ein und tauchte unter.

    Auch der Porno-Killer Luca Rocco Magnotta hat offenbar eine weibliche Fangemeinde. Magnotta, der in Berlin gefasst wurde, soll einen chinesischen Studenten getötet, zerstückelt und die Leichenteile per Post verschickt haben. Das stört die 21-jährige Kanadierin Destiney St-Denis nicht. Laut einem Medienbericht sagt sie: «Ich mag ihn. Er ist eine sehr nette Person, und er braucht unsere Unterstützung.» Sie habe deshalb eine Support-Magnotta-Gruppe auf Facebook gegründet, mehrfach mit ihm telefoniert und - will ihn so schnell wie möglich im Gefängnis besuchen.

    iwi/news.de

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