Von news.de-Redakteurin Isabelle Wiedemeier - Uhr

Zwitter: «Ich dachte, ich bin das einzige Monster der Welt»

Elisabeth Müller sieht aus wie eine Frau. Aber wer sie so nennt, wird gleich gerügt. Denn sie ist ein Hermaphrodit, im Volksmund schlicht Zwitter, und kämpft dafür, dass Menschen wie sie nicht operativ zu Frau oder Mann manipuliert werden.

Elisabeth Müller verteilt Flugblätter für das Zwischengeschlecht. (Foto) Suche
Elisabeth Müller verteilt Flugblätter für das Zwischengeschlecht. Bild: Katrin Ann Kunze

«Ich bin nicht Frau.» Wer Elisabeth Müller mit «Frau Müller» anspricht, wird umgehend zurechtgewiesen. Wie dann? «Entweder Elisabeth Müller, ich mache das auch gerne, dass ich Leute mit ihrem vollen Namen anspreche. Oder Hermaphrodit Müller.»

Gut. Aber ist Müller nun Organistin oder Organist, leitet sie oder er einen Chor in der Schenefelder Stephansgemeinde? «Ich bevorzuge Kirchenmusiker, die neutrale Form. ‹Sie› und ‹Ihr› ist in Ordnung, man kann ja auch nicht von ‹es› reden. Aber Frau geht nicht. Ich bin ein weiblicher Hermaphrodit, aber noch lange keine Frau», betont sie.

In ihrem Ausweis steht eines der beiden Geschlechter, «welches, können sie sich denken.» Das geht in Deutschland nicht anders. Elisabeth Müller sieht auch aus wie eine Frau. Aber sie hat xy-Chromosomen wie ein Mann, und bis zu einer Operation hatte sie auch kleine Hoden. Es gibt zwar einen Scheideneingang, aber weder Gebärmutter noch Eierstöcke. «Erst, wenn die Verstümmelungen und Menschenrechtsverletzungen an uns aufhören und wir eine menschliche Würde anerkannt bekommen, ist mir das egal. Dann kann man gerne Frau zu mir sagen.»

Im Umgang mit Hermaphroditen sind wir nicht geübt. Das liegt schon daran, dass viele gar nicht wissen, dass es tatsächlich Menschen gibt, die weder Mann noch Frau sind. Und dass das kein Fehler ist. Schuld daran sind, da gibt es für Elisabeth Müller keinen Zweifel, die «Medizyner, so nenne ich sie, weil sie zynisch sind». Rund 100.000 Menschen in Deutschland werden weder als Frau noch als Mann geboren. «Es gibt unendlich viele Varianten, manche reden von 4000. Xy-Frauen wie ich sehen wie Frauen aus, haben aber einen männlichen Chromosomensatz.»

Andere haben weibliche Chromosomen und innere weibliche Geschlechtsorgane, sehen aber männlich aus. «Das ist das sogenannte Adrenogenitale Syndrom, die werden von Medizinern meist ziemlich brachial verweichlicht: das Genital abgeschnitten, eine künstliche Scheide angelegt, die Harnröhren, wie sie es für richtig halten. Sie wollen offenbar an der heiligen Kuh festhalten, dass der Mensch nur ein Mensch ist, wenn er Mann oder Frau ist.»

Dagegen wehrt sich Hermaphrodit Müller mit Händen und Füßen. Seit 1997 kämpft sie mit der Selbsthilfegruppe «Zwitterprozess»: 100.000 Euro Schmerzensgeld für Intersexuelle

iwe/news.de

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