Eigentlich soll Bisphenol A nur Kunststoffe härten. Doch der Stoff wirkt im menschlichen Körper wie ein Hormon und richtet verheerende Schäden an. Dennoch sind die Grenzwerte für das Material, das etwa in Plastikflaschen steckt, noch viel zu hoch.
Gilbert Schönfelder zögert inzwischen, bevor er einen Schluck Cola aus einer Plastikflasche nimmt. Und das obwohl der Mediziner eine Leidenschaft für das Getränk hegt. Schuld ist nicht der Zucker und die Angst vor übermäßigen Kalorien. Stattdessen muss er sich fragen: «Werde ich unfruchtbar oder bekomme ich sogar Diabetes oder Herz-Kreislaufprobleme?» Grund für die Sorge des Professors für Pharmakologie und Toxikologie an der Universität Würzburg: Manche Kunststoffzusätze wirken auf den Körper wie Hormone und können damit gefährlich werden.
Unter Verdacht steht nach neuesten Studien vor allem der Kunststoffzusatz Bisphenol A, der in unzähligen Produkten - von der Plastikflasche über den Babyschnuller bis hin zur Autoverkleidung - enthalten ist. «Die ersten Ergebnisse aus den Untersuchungen an Erwachsenen lassen vermuten, dass dieser Stoff die Wahrscheinlichkeit erhöht, an Diabetes oder Herz-Kreislaufproblemen zu erkranken», erklärt Schönfelder. Auch ist die Zeugungsfähigkeit von Männern immer wieder ein besorgniserregendes Thema.
Wie dies zustande kommt, darüber grübeln die Forscher weiterhin. Das, was die Experten wissen: Bisphenol A gehört zu den Substanzen, die auf den Menschen wie das Hormon Östrogen wirkt. Solch «künstliche Hormone» werden als Xenoöstrogene bezeichnet. Diese machen sich vor allem dann negativ bemerkbar, wenn sich der menschliche Organismus noch in der Entwicklung, also noch im Mutterleib oder im Kindesalter, befindet. Gerade bei Kleinkindern kommt es etwa häufig zur Verengung der Harnleiter.
So wurden in den 1970er Jahren werdende Mütter mit künstlich hergestellten Östrogenen behandelt. Grund für die Behandlung: Das Risiko von Fehlgeburten sollte damit verringert werden. Doch die hormonelle Therapie entpuppte sich für die Kinder einige Jahre später als fataler Fehler. Nach der Pubertät entwickelten die Jungen Fehlbildungen der Hoden, während die Mädchen mit Krebserkrankungen zu kämpfen hatten. Erst dadurch wurde das Interesse der Forschung an der Wirkung dieser Xenoöstrogene geweckt.
Neben der Entwicklungsphase, in der der Körper mit dem Plastikhormon konfrontiert wird, ist die Menge, der die Betroffenen ausgesetzt sind, natürlich entscheidend, betont Schönfelder. Deshalb sei es auch entscheidend, dass die weltweiten Lebensmittelbehörden endlich tätig werden. Schönfelders dringende Kritik: «Die Grenzwerte der künstlichen Substanzen sind immer noch viel zu hoch.» Es müsse unbedingt ein Umdenken stattfinden, fordert der Würzburger Professor und findet, die Industrie ginge nicht ehrlich genug mit dem Thema um und verhalte sich damit den Verbrauchern gegenüber nicht fair.
Doch Schönfelder räumt auch ein, dass Alternativen nicht so einfach aus dem Hut zu zaubern sind. An Plastik und Bisphenol A komme man nicht mehr vorbei. Selbst wenn es einen Ersatzstoff gebe, so gibt Schönfelder zu bedenken: «Wer kann schon garantieren, dass dieser dann keine hormonelle Wirkungen hat. Denn die Auswirkungen zeigen sich erst Jahre später.»
kat/ivb/news.de