Die einfachste Diät der Welt verspricht Dr. Stefan Frädrich. Aber eigentlich stellt er auch nichts anderes zusammen als Kalorienzähler, Glyx-Index-Fans oder Weight-Watcher-Punkteenthusiasten. Nur für Ernährungsanfänger ist das Plus-Minus-Prinzip ein Gewinn.
Sicherlich: Der Ansatz von Dr. Stefan Frädrich ist gut und einleuchtend. Bei den meisten Abspeckprogrammen heißt es wild und kompliziert Kalorien zählen. Die kennt man natürlich nur, wenn man nach vorgegebenem Rezept selbst kocht oder nur aus gekennzeichneten Packungen isst. Ab und zu kommen noch andere Prinzipien dazu, die sich unterschiedlich gut in den individuellen Alltag einbauen lassen: So etwa das Schlank-im-Schlaf-Prinzip, die Bauch-Weg-Idee oder das Konzept der Energiedichte.
Alles ist wahnsinnig kompliziert, sodass viele Abspecker gar nicht so sehr aus schwachem Willen recht schnell wieder futtern, sondern weil sie keine Energie für solch aufwendige Regimes haben. So zumindest Frädrichs Kritik. Damit soll aufgeräumt werden.
Frädrich ist ein Experte für Selbstmotivation und kein Ernährungswissenschaftler oder Mediziner. So wundert es auch nicht, dass er kein innovatives Ernährungsprogramm zusammenstellt. Das was die anderen machen, ist schon ganz gut. Viel Obst und Gemüse sowie Vollkornprodukte. Das ist schon sinnvoll.
Grob messen und gegenrechnen
Nur kompliziert darf es nicht sein. Deshalb vergibt Frädrich Nahrungsmittel auch keine Kalorienangaben, sondern nur rote Plus- und grüne Minuszeichen. Auch nimmt er es beim Abwiegen nicht so genau, sondern beschreibt seine Portionen nur als «eine Handvoll», «ein Schälchen» oder «fünf Stück».
So werden etwa vier Dominosteine mit zwei roten Pluszeichen versehen, 15 Gummibärchen bekommen ein Plus und leichte Konfitüre mit Belag für zwei Brote wird mit einer neutralen Null bewertet. In den grünen Bereich mit einem Minus fallen ein Teller Gemüseeintopf, eine Handvoll Steinpilzen oder ein Stück Aubergine. So kann man grob mixen und ganz einfach Plus gegen Minus rechnen. Marken, Zusammensetzung oder Größe sind da völlig egal.
Die simple Theorie: Kommen bei der Bilanz ein oder mehrere Plus heraus, dann nimmt man zu, bei Null bleibt alles beim Alten und bei Minus verliert der Esser an Hüftgold. So einfach, so gut. Dabei kann Bewegung als Minus gerechnet werden und stundenlanges Herumlümmeln auf der Couch als Plus. Frädrich liefert auch gleich Listen zum Nachschlagen ab, die grob alle Lebensmittel abdecken.
Als erste Orientierung hilfreich
Zwischen den Seiten von Frädrichs Buch tummeln sich ein dickes einfältig drein blickendes rotes Plus und ein strahlendes schlankes Minus, die die gelernten Weisheiten und Prinzipien nochmal fröhlich plakativ zusammenfassen: «Schnell zum Traumgewicht?», fragt da etwa das pfiffige Minus, «Ist doch ganz einfach: Mehr wissen - schlauer essen.» Dem hat das tranige Plus entgegenzusetzen: «Am Übergewicht festhalten? Kein Problem: Einfach nur möglichst viel falsch machen.»
Wer sich noch nie mit ausgewogener Ernährung beschäftigt hat, nicht weiß, was Kohlenhydrate, Fette und Eiweiße sind, wie sie im Körper verwendet und verbrannt werden und was es überhaupt mit dem seltsamen Begriff Kalorien auf sich hat, für den ist das Plus-Minus-Prinzip bestimmt ganz hilfreich als erste Orientierung.
Gibt es doch einen einfachen Einblick, welche Lebensmittel eher etwas spärlich auf dem Teller landen sollten und was durchaus in größeren Mengen gemampft werden darf, ohne dass man immer mehr Gewicht die Treppe hochwuchten muss. Schließlich mag es genug Menschen geben, die glauben, Pommes Frites seien gesund, weil sie aus Kartoffeln gemacht sind, und sich von der Werbung überzeugen lassen, dass Schokoaufstriche voller guter Mineralstoffe und positivem Kalzium stecken und deshalb ohne Bedenken jeden Tag dick auf der Stulle gestrichen werden können.
Tipps gegen den inneren Schweinehund
Für diese Zielgruppe ist Die einfachste Diät der Welt tatsächlich ein netter Anlass, sich mal mit ihrem Speiseplan auseinander zu setzen und vielleicht die ein oder andere Einstellung zum Essen noch einmal zu überdenken.
Auch hat Frädrich - und da kommt der Motivationsexperte in dem Buchautoren deutlich durch - einige zwar recht abgedroschene, aber dennoch wirksame Tipps auf Lager, wie der innere Schweinehund zum Schweigen gebracht werden kann. Die Kapitel über das «Schlanke Denken» sind zwar auch nicht wirklich neu, aber dafür greifbar und durchaus alltagstauglich.
Problematisch wird das Konzept dann, wenn man gegen geschlemmtes böses Plus zusätzlich gutes Minus futtert, nur damit am Ende die Bilanz stimmt. Dazu rät Frädrich explizit. Das mag bei kleinen Portionen auch gut klappen und zu einer guten ausgewogenen Mischung führen, bei der man sich nicht geißeln und auf Lieblingsspeisen verzichten muss.
Keine Obergrenze fürs Bilanzieren
Aber da Frädrich dem keine Obergrenze setzt, kann dies schnell in ein Fressgelage ausarten, das selbst bei Minus-Bilanz mit Sicherheit nicht zur Gewichtsabnahme führen kann. Und wenn ein Nahrungsmittel mit einer Null belegt ist, darf es dann in unbegrenzter Menge verschlungen werden? Diese Frage lässt Frädrich unbeantwortet im Raum stehen. Aber das kann nicht Sinn und Zweck einer Diät sein, deren Selbstverständnis es eigentlich ist, nicht nur über zwei Wochen mehrere Pfunde von den Hüften zu verbannen, sondern langfristig die Ernährung umzustellen.
Das Buch kommt natürlich auch mit einem Rezepteteil, der wie alle Diätkochbücher etwas übers Ziel hinausschießt und statt auf schlicht auf ausgefallen setzt. Wer würde sich sonst einfach mal für zwischendurch Curry-Spieße mit Minz-Dip, Lachs-Saltimbocca mit Radicchio-Linsen oder Schnitzelröllchen mit Country Potatoes zaubern. Da entfernt sich das Konzept weit davon, die einfachste Diät der Welt zu sein. Auch wenn die Fotos der Gerichte zum Nachkochen einladen.
Positiv ist, dass Frädrich auch dem Sport noch einen ganzen Abschnitt gönnt. Denn ohne Bewegung geht beim Abspecken gar nichts. Jedenfalls nicht, wenn man nachhaltig die Pfunde purzeln lassen will.
Lesetipp: Dr. Stefan Frädrich: Die einfachste Diät der Welt – Das Plus-Minus-Prinzip, Graefe und Unzer Verlag, 192 Seiten, 19,99 Euro.
car/ivb/news.de