Als einziger Deutscher hat es Jasper Hanebuth ins Ensemble des legendären Moulin Rouge in Paris geschafft. News.de verrät der Tänzer, wie er trainiert, wie es um den Konkurrenzkampf bestellt ist - und ob man 120 nackte Brüste ignorieren kann.
Schweiß, Lärm, Hektik: All das umgibt Jasper Hanebuth, wenn er im Dienst ist, zweimal pro Abend, sechsmal pro Woche. Nichts Besonderes, könnte man meinen. Das trifft schließlich auch auf Kfz-Mechaniker oder Köche zu. Am Arbeitsplatz von Jasper Hanebuth kommen aber noch ein paar sehr ungewöhnliche Utensilien dazu: Federn, Perlenketten und vor allem: Brüste, Brüste, Brüste.
Der 30-Jährige arbeitet seit Mai als Tänzer am Moulin Rouge. 100 Künstler gehören zum Ensemble des mythisch verehrten Cabarets in Paris, aber Hanebuth ist der einzige Deutsche, der es ins feste Team geschafft hat. Vor fünf Jahren war er Zuschauer in einer Show, sah den legendären Cancan, die Farbenpracht der Kostüme, die Begeisterung im Saal. Danach wollte er unbedingt Teil dieses Spektakels werden. «Das Moulin Rouge ist das bekannteste Cabaret der Welt, deshalb wollte ich da hin. Außerdem ist es für Tänzer ein gut bezahltes Engagement. Es hat einen guten Stellenwert in der Tänzerszene und macht sich gut auf dem Lebenslauf», sagt Hanebuth.
Vom Tanzen wollte er erst nichts wissen
Zum Tanzen kam er als Zehnjähriger, als seine Mutter ihn zum Tanzunterricht anmeldete, und er davon zunächst wenig begeistert war. Doch schnell entdeckte er auch selbst sein Talent, kurz vor dem Abitur entschied er, sich ganz dem Tanzen zu widmen. In Hamburg und London machte er eine Tanz-, Gesangs- und Schauspielausbildung. Die ersten Engagements hatte er in Tokio, dann war er viel auf Kreuzfahrtschiffen unterwegs. «So konnte ich die Welt sehen und gleichzeitig mit Tanzen Geld verdienen», erzählt er.
Der Weg auf die Bühne am berüchtigten Place Pigalle war trotz dieser Erfahrung alles andere als einfach: Janet Pharaoh, die Chefin des Balletts am Moulin Rouge, veranstaltet mehrmals pro Jahr Castings in Paris, London, Australien und Skandinavien und begutachtet jedes Mal bis zu 150 Tänzer. Pro Jahr bekommen weniger als 10 von ihnen tatsächlich ein Engagement. Bei Hanebuth klappte es im zweiten Versuch.
Die Frisur steht im Vertrag
Ein hartes Regime herrscht aber nicht nur bei der Auswahl der Bewerber. Der einzige Deutsche am Moulin Rouge, der aus dem hannoverschen Vorort Langenhagen kommt, trainiert fünfmal pro Woche im Fitness-Studio, jeweils zwischen 90 und 120 Minuten. Anderthalb Stunden vor Beginn der Show kommt er am Moulin Rouge an, um sich schminken und gründlich aufwärmen zu können.
Wenn er eine neue Frisur haben will, muss er das von seinem Arbeitgeber genehmigen lassen. Sein Gewicht darf sich höchstens zwei Kilogramm nach oben oder unten verändern, schreibt der Vertrag vor. Und bei einer Verletzung heißt es meistens: auf die Zähne beißen. «Wenn man sich nicht gerade das Bein bricht, etwas ausrenkt, verstaucht oder zerrt, macht man seine Arbeit ganz normal weiter und tanzt durch den Schmerz», erzählt Hanebuth.
Trotzdem fühlt er sich rundum wohl am Moulin Rouge. «Generell herrscht eine sehr positive, fröhliche Atmosphäre», schwärmt er. Oft würden die Künstler nach der Show noch etwas gemeinsam unternehmen. «Konkurrenzkampf herrscht bei uns überhaupt nicht! Viele wollen das nicht glauben, und stellen sich vor, dass es im Cabaret so zugeht wie im Film Showgirls. Aber das ist weit entfernt vom echten Leben im Moulin Rouge.»
Überall Brüste? Bloß nicht ablenken lassen!
Und wie fühlt es sich nun an, wenn man inmitten der 60 barbusigen Doriss GirlsSo werden die Oben-Ohne-Tänzerinnen am Moulin Rouge genannt. Der Name geht zurück auf die deutsche Ballettlehrerin Doris Haug, die Ende der 1950er Jahre diese Tradition begründete. Damals gab es nur 4 Doriss-Girls, heute sind es 60. arbeiten soll, den schönsten Mädchen von ganz Paris? «Daran gewöhnt man sich schnell. Wenn man zum ersten Mal so einen Job macht, dann ist es etwas ungewohnt. Aber schnell denkt man überhaupt nicht mehr dran und es fällt einem überhaupt nicht mehr auf, welches Mädchen bedeckt ist und welches seine Brüste zeigt», sagt Hanebuth. «Außerdem ist es ein Job. In jedem Job sollte man professionell sein und sich nicht von Arbeitsbekleidung ablenken lassen.»
Dass man sein neustes Engagement in der Heimat womöglich skeptisch beäugen könnte, stört den Tänzer nicht. «Natürlich ist Cabaret eine andere Art von Tanz als klassisches Ballett, aber körperlich ist es genauso hart – und es zieht Publikum aus der ganzen Welt an, was nicht jedes Ballettstück schafft», betont er. In der Tat könnte die Begeiserung der Zuschauer kaum größer sein. Die aktuelle Show «Féerie» läuft bereits seit 1999, trotzdem ist das Moulin Rouge noch immer zu 98 Prozent ausgelastet. Sechs Millionen Zuschauer kommen pro Jahr. Die Hälfte der Zuschauer kommt aus Frankreich, etwas mehr als zwei Prozent sind Deutsche. Und immer wieder sind auch Promis zu Gast. Seit Jasper Hanebuth dort tanzt, haben beispielsweise schon Fergie von den Black Eyed Peas, Penelope Cruz, Susan Sarandon, Michelle Pfeiffer, Lionel Messi und Maria Sharapova das Moulin Rouge besucht.
An das Leben in Paris («Es ist eine schöne Stadt, aber im Vergleich zu Deutschland auch sehr chaotisch und unorganisiert.») könnte sich der gebürtige Niedersachse gewöhnen. Und auch ans Karriereende denkt er noch längst nicht, obwohl er als 30-Jähriger schon zu den älteren Tänzern zählt. Wie lange man körperlich durchhält, «kommt auch immer auf einen selber an. Es gibt Tänzer, die so einen Job nur für ein paar Jahre machen, wenn sie jung sind, aber auch Tänzer, die noch mit 40 auf der Bühne stehen.»
boi/news.de